Die Lizenträger des "Mannheimer Morgen" im Jahre 1947: Karl Vetter, Eitel-Friedrich Freiherr Schilling von Cannstatt, Karl Ackermann (von links nach rechts).

Darunter die erste Ausgabe des "Mannheimer Morgen" - damals noch "Der Morgen" - vom 6. Juli 1946.

Der erste "Mannheimer Morgen" erscheint

Die schwierige Suche nach einem unverfänglichen Zeitungstitel

Mannheim im Jahre 1945 war ein einziger Trümmerhaufen. Besonders im Bereich der Quadrate stand kaum noch ein Haus. Wo früher Geschäfte, Büros und Wohnungen waren, konnte der Blick fast ungehindert vom Neckar bis zur ausgebrannten Ruine des Schlosses schweifen. So sah das Ergebnis des "totalen Krieges" aus, für den "Hakenkreuzbanner" und "Neue Mannheimer Zeitung" bis zuletzt getrommelt hatten. Die Gebäude der beiden Nazi-Blätter waren Ruinen. Bei der "Neuen Mannheimer Zeitung" war allerdings nur das Verlagsgebäude am Marktplatz völlig zerstört. Der rückwärtige Teil mit der "Mannheimer Großdruckerei" stand größtenteils noch.

In der Stadt, in der einst sieben Tageszeitungen erschienen waren, gab es nun überhaupt keine örtliche Zeitung mehr. Dieser Zustand dauerte über ein Jahr. Auch dann dauerte es nochmals drei Jahre, ehe der neugegründete "Mannheimer Morgen" mit sechs Ausgaben in der Woche erschien und tatsächlich als Tageszeitung gelten konnte.

Die Mannheimer Bevölkerung behalf sich mit Radionachrichten und auswärts erscheinenden Zeitungen. Als erste Zeitung in den westlichen Besatzungszonen, die von Deutschen herausgegeben und geschrieben wurde, hatten die Amerikaner am 1. August 1945 die "Frankfurter Rundschau" zugelassen. Am 5. September folgte die "Rhein-Neckar-Zeitung" in Heidelberg.

Bis zum Erscheinen der "Rhein-Neckar-Zeitung" gab die 6. Heeresgruppe der Alliierten seit 14. April 1945 "Die Mitteilungen" als Nachrichtenblatt für die Zivilbevölkerung heraus. Anhand des wöchentlich erscheinenden Blattes mit zwei bis vier Seiten Umfang konnten die Mannheimer das Vorrücken der Alliierten bis an die Elbe verfolgen. Erschütternde Bilder brachten die ganze Wahrheit über die Konzentrationslager an den Tag. Am 9. Mai 1945 vermeldete eine Sonderausgabe die bedingungslose Kapitulation der Hitler-Wehrmacht. Ab 16. Juni wurde der Titel in "Süddeutsche Mitteilungen" geändert und die Herausgabe von der 12. Heeresgruppe übernommen. Die letzte Ausgabe am 1. September 1945 meldete die Landung der Alliierten in Japan.

Für die dringendsten örtlichen Bekanntmachungen erschien seit April 1945 wöchentlich das "Mitteilungsblatt für Mannheim". Für die "Schriftleitung" - ein Ausdruck, der noch dem nationalsozialistischen Pressewesen entstammte - zeichnete die Stadt Mannheim verantwortlich. Ab der achten Ausgabe übernahm die Militärregierung des Stadtkreises Mannheim die Redaktion und taufte das Blatt in "Military Government Gazette". Die Herstellung erfolgte in der "Mannheimer Großdruckerei", also im früheren technischen Betrieb der "Neuen Mannheimer Zeitung". Aus dieser "Military Government Gazette" entwickelte sich das Amtsblatt der Stadt Mannheim, das sein Erscheinen 1972 einstellte - zugunsten des "Mannheimer Morgen", in dem seitdem die amtlichen Bekanntmachungen veröffentlicht werden. 16

Der "Mannheimer Morgen" erschien erstmals am Samstag, dem 6. Juli 1946. Als Lizenzträger hatten die Amerikaner einen Freiherrn E. F. von Schilling und einen gewissen "Dr." Oskar Hörrle ausgewählt. Der erwähnte Baron bzw. sein Sohn sind noch heute Mitbesitzer des "Mannheimer Morgen". Sein ehemaliger Mitherausgeber "Dr." Oskar Hörrle, dessen akademischen Titel wir vorsichtshalber in Gänsefüßchen setzen wollen, stolperte dagegen nach kurzer Zeit über eine peinliche Entdeckung, von der noch die Rede sein wird.

Daß die neue Zeitung "Mannheimer Morgen" hieß, war einem Befehl der Besatzungsmacht zu verdanken, wonach die neuen Zeitungstitel in keiner Weise an frühere Blätter erinnern durften. Eine Wiederverwendung des Titels "Neue Mannheimer Zeitung" schied somit aus. Schilling und Hörrle verfielen zunächst auf "Der Morgen". Dieser Titel klang höchstens an das "Mannheimer Morgenblatt" an, das von 1840 bis 1848 als von der fürstlich-pfäffischen Reaktion gesteuertes und finanziertes Blatt ein schwindsüchtiges Dasein gefristet hatte. Von der unrühmlichen Existenz dieses Titel-Vorläufers dürften allerdings weder die beiden Lizenzaten noch die Amerikaner etwas gewußt haben. Schwerer wog, daß in Berlin bereits seit 3. August 1945 ein Blatt gleichen Namens als Zeitung der Liberaldemokratischen Partei erschien. Deshalb mußte der Titel am 8. Oktober 1946 in "Mannheimer Morgen" geändert werden. (114)

"Der Morgen", wie das Blatt zunächst noch hieß, kam nur dreimal wöchentlich heraus. Der Umfang betrug ganze vier Seiten. Erst ab 1. August 1948 kam es zu vier Ausgaben und ab 1. April 1949 zu sechs Ausgaben wöchentlich.

Die Auflage des "Mannheimer Morgen" lag in den ersten Jahren bei 70 000 Stück. Es hätten weitaus mehr Exemplare verkauft werden können, denn Papier war Mangelware. Eine Zeitung diente nicht nur zum Lesen, sondern fand vielfältige Verwendung als Einwickel-, Schreib- Dichtungs- oder Klopapier. Gerade wegen der herrschenden Papierknappheit konnte die Auflage jedoch nicht erhöht werden. Noch im Juni 1947 kam es infolge Papiermangels vorübergehend zu einer Halbierung des inzwischen erreichten Umfanges von zwölf Seiten. (115)

Die ehemaligen Besitzer der "Neuen Mannheimer Zeitung" standen bei der Gründung des "Mannheimer Morgen" schmollend abseits. Sie hatten zuvor vergeblich versucht, die Lizenz für eine Zeitung auf den Namen von Dr. Fritz Bode zu erhalten, der nicht als Mitglied der NSDAP belastet war (112) Die Amerikaner lehnten natürlich ab. Einmal deshalb, weil jeder Verleger einer nazistischen Zeitung in ihren Augen kompromittiert war, zum anderen aber auch, weil eine schlichte Wiederherstellung der alten Presseverhältnisse nicht ihren Absichten entsprach.

Bode, Bauser und Kolb hatten jedoch noch einen Trumpf in der Hand: Dies war ihr Mitbesitz an der "Mannheimer Großdruckerei", in der die neue Zeitung auf Anordnung der Besatzungsmacht hergestellt wurde, und der ihnen ungeachtet ihrer Belastung aus der NS-Zeit verblieben war.

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