Februar 1997

970205

ENERGIE-CHRONIK


Gespräche über Energiekonsens durch Indiskretionen gefährdet?

In die vertraulichen Verhandlungen zwischen SPD und Union über einen Energiekonsens (siehe 970104) ist im Februar Bewegung gekommen. Presseberichten zufolge haben beide Seiten einen "Entwurf für eine Verständigung" ausgehandelt, der politisch aber noch nicht abgestimmt ist. Er gliedert sich in die Abschnitte Endlagerung, Zwischenlagerung und Kernkraftwerke. Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen (10.2. u. 17.2.) sind im einzelnen folgende Vereinbarungen vorgesehen:

1. Endlagerung: Das Planfeststellungsverfahren für das geplante Endlager im Schacht Konrad, das nicht wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle aufnehmen soll, wird zügig fortgeführt und soll noch in diesem Jahr "positiv abgeschlossen" werden. Die Erkundung des Salzstocks Gorleben als mögliches Endlager für wärmeentwickelnde, hochradioaktive Abfälle wird ebenfalls zügig fortgeführt und möglichst bis 2005 abgeschlossen. Sollte dann die Eignung feststehen, werden trotzdem alle Arbeiten - außer der Grubensicherung - bis etwa 2030 eingestellt, da erst dann das Endlager wirklich benötigt wird. Auch bei Nichteignung bliebe so genug Zeit für die Suche nach alternativen Standorten in Deutschland oder für eine internationale Lösung. Die Betriebsgenehmigung für die Einlagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle im Endlager Morsleben wird - bei gleichbleibendem Volumen der Abfälle - um fünf Jahre bis 2005 verlängert.

2. Zwischenlagerung: Das Zwischenlager Gorleben soll nur abgebrannte Brennelemente aus norddeutschen Kernkraftwerken aufnehmen sowie die Glaskokillen mit Abfällen aus der Wiederaufarbeitung von Kernbrennstäben deutscher Kernkraftwerke in England und Frankreich - nach dem Vorschlag Niedersachsens ab sofort, nach den Vorstellungen des Bundesumweltministeriums jedoch erst ab dem Jahr 2000. Zur Entlastung Niedersachsens sollen die Zwischenlagerkapazitäten im nordrhein-westfälischen Ahaus ausgebaut werden. Bei zusätzlichem Bedarf soll unter Beachtung der "Grundsätze der Transportoptimierung und der regionalen Ausgewogenheit" eventuell ein weiteres Zwischenlager in Süddeutschland errichtet werden (was Niedersachsen mit Hinweis auf eine notwendige Lastenteilung zwischen den Ländern immer wieder verlangt hat).

3. Kernenergie: Über Ersatzbauten für die gegenwärtigen KKW wird nicht vor 2005 entschieden. Dies bedeute, daß erst zu diesem Zeitpunkt "im Lichte der dann gegebenen sicherheitstechnischen, wirtschaftlichen, energiepolitischen und internationalen Situation zu entscheiden ist, von welchen Energieoptionen Gebrauch gemacht wird".

Die SPD macht einen Energiekonsens grundsätzlich davon abhängig, daß im Gegenzug Lösungen für ein langfristiges Überleben des Steinkohlenbergbaues in Deutschland gefunden werden. Die vorgesehenen Regelungen sind aber auch innerhalb der SPD noch umstritten. Auf seiten der Unionsparteien widersprachen Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) der Absicht, ein weiteres Zwischenlager eventuell in Süddeutschland zu errichten. Die FDP ist verstimmt, weil sie in die vertraulichen Gespräche nicht einbezogen wurde. Die Bündnisgrünen betonten mehrfach, daß ein Konsens, der ohne sie erzielt werde, für sie nicht bindend sein könne (SZ, 14.2.; FR, 18.2.).

Die getroffenen Vereinbarungen wurden erstmals am 7.2. durch eine Vorabmeldung des Nachrichtenmagazins Focus (10.2.) bekannt, worauf etliche andere Zeitungen nachzogen und detailliert aus dem Papier berichteten. Nach Meinung des Handelsblatts (10.2.) ergibt sich "erneut die Gefahr, daß eine rationale Diskussion über einen abgespeckten Energiekonsens durch gezielte Indiskretionen mit der Veröffentlichung von Teilergebnissen am Ende verhindert wird".

Verlängerung für Morsleben stößt auf Widerstand in der SPD

Die SPD hat am 20.2. im Bundestag gemeinsam mit den Bündnisgrünen die sofortige Stillegung des Endlagers Morsleben in Sachsen-Anhalt gefordert. Der Antrag wurde jedoch mit den Stimmen der Koalitionsparteien abgelehnt. Die SPD-Fraktion setzte sich damit in Widerspruch zu den Experten der Partei, die sich kurz zuvor in den vertraulichen Gesprächen mit der Union über einen Energiekonsens für eine Verlängerung der Einlagerungserlaubnis bis zum Jahr 2005 geeinigt hatten. Dieser Punkt des Konsenspapiers hatte vor allem bei der rot-grünen Landesregierung Sachsen-Anhalts Unmut erregt (FR, 13.2. u. 22.2.).