August 1994

940810

ENERGIE-CHRONIK


Auseinandersetzung um Transport von Brennelementen nach Gorleben dauert an

Die Auseinandersetzung um den geplanten Transport von abgebrannten Brennelementen aus dem Kernkraftwerk Philippsburg ins Zwischenlager Gorleben dauerte im August an. Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) setzte seiner niedersächsischen Amtskollegin Monika Griefahn (SPD) zunächst ultimativ eine Frist bis 3.8., um die Prüfung der Transportunterlagen abzuschließen, die er dann aber um eine Woche verlängerte. Das niedersächsische Umweltministerium äußerte unterdessen Zweifel an der Eignung der sogenannten Castor-Behälter, wobei es sich auf angebliche "Pleiten und Pannen" berief, die laut einem Protokoll des TÜV Südwest bei der Beladung der Behälter in Philippsburg vorgekommen seien. Am 16.8. trafen sich Töpfer und der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) zu einem Gespräch in Bonn, das jedoch keine Annäherung der Standpunkte erbrachte. Kurz darauf ließ der baden-württembergische Umweltminister Schäfer verlauten, daß er die seit 19.7. in Philippsburg in den Castor-Behältern bereitstehenden Brennelemente ins Lagerbecken zurückbringen lassen werde, falls sich der Transport weiter verzögere. Für Schäfer handelt es sich dann nicht mehr um einen Transport, sondern um eine "Zwischenlagerung", für die keine Genehmigung erteilt worden sei. Töpfer bestellte seinerseits Monika Griefahn für den 30.8. zu einem bundesaufsichtlichen Gespräch nach Bonn und drohte mit einer bundesaufsichtlichen Weisung, falls die von niedersächsischer Seite vorgebrachten Erklärungen für die Verzögerungen des Transports nicht befriedigen sollten (FR, 4.8., 10.8. u. 18.8.; Handelsblatt, 10.8.; FAZ, 17.8.; siehe auch 940713).

"KKW-Betreiber wollen Fakten schaffen"

Die Welt (17.8.) gewann nach dem Treffen zwischen Töpfer und Schröder trotz der fehlenden Einigung den Eindruck, als sei der Konflikt vorerst entschärft: "Töpfer will ohne Zeitdruck die Sicherheitsbedenken aus Hannover prüfen, und das heißt offensichtlich: Bis zur Bundestagswahl ist das Thema auf Eis gelegt."

Die Zeit (12.8.) hielt den Kernkraftwerksbetreibern erneut vor, daß für den Transport der Brennelemente von Philippsburg nach Gorleben zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt kein Grund bestehe, "es sei denn, man wollte ausgerechnet demjenigen Sozialdemokraten eine politische Niederlage bereiten, der sich ernsthaft um einen neuen Energiekonsens in der Bundesrepublik bemüht hat".

Für die Süddeutsche Zeitung (17.8.) sieht es so aus, als wollten die Kernkraftwerksbetreiber "noch vor der Wahl rasch Fakten schaffen: Steht erst einmal der erste Castor-Behälter in Gorleben, kann das Zwischenlager nach dem 16. Oktober weiter aufgefüllt werden - wohl auch mit jenem deutschen Atommüll, der zur Zeit noch in Frankreich und Großbritannien lagert".