Oktober 2023

231001

ENERGIE-CHRONIK


Alle drei "Stromautobahnen" befinden sich jetzt im Bau

Die Bundesnetzagentur hat dem Übertragungsnetzbetreiber Amprion den vorzeitigen Beginn der Bauarbeiten an der Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) A-Nord erlaubt. Wie sie am am 20. Oktober mitteilte, kann damit in vier Teilbereichen die Verlegung des knapp 300 Kilometer langen Erdkabels von Emden zum Umspannwerk Osterath in Angriff genommen werden.

Das Projekt A-Nord bildet den nördlichen Teil einer 640 Kilometer langen "Stromautobahn", die im Westen der Bundesrepublik von Nord- nach Süddeutschland führen wird (aber bei Bedarf durchaus auch in entgegengesetzter Richtung "befahren" werden kann). Zusammen mit den weiter östlich gelegenen HGÜ-Leitungen SuedLInk und SuedOstLink wird sie bis 2027 bzw. 2028 dafür sorgen, dass der in Norddeutschland und vor den Küsten erzeugte Windstrom ohne Netzengpässe zu den Verbrauchsschwerpunkten in Süddeutschland gelangen kann. Beide Leitungen verfügen jeweils über eine Kapazität von zwei Gigawatt und werden mit 380 Kilovolt Gleichspannung betrieben.

Im Unterschied zu SuedLink und SuedOstLink besteht A-Nord / Ultranet aus zwei separaten Abschnitten


Sowohl "A-Nord" als auch "Ultranet" können jeweils zwei Gigawatt Gleichstrom mit einer Spannung von 380 Kilovolt übertragen. Die eine Leitung ist aber ein Erdkabel und die andere eine Freileitung mit Nutzung bereits vorhandener Trassen.


Anders als bei SuedLInk und SuedOstLink handelt es sich bei dieser westlichen Stromautobahn aber um keine durchgehende HGÜ-Verbindung: Der südliche Teil, der von Osterath weiter nach Philippsburg in Baden-Württemberg führt, ist ein eigenständiges HGÜ-Projekt unter der Bezeichnung "Ultranet". Er wird auch nicht als Erdkabel verlegt, sondern als 341 Kilometer lange Freileitung, die weitgehend bereits vorhandene Stromtrassen nutzt. Die Leiterseile für Gleich- und Wechselstrom werden dabei am selben Mast angebracht. Nach den bisherigen Planungen soll Ultranet bis 2026 betriebsbereit sein und A-Nord ein Jahr später.

Neuer Paragraph ermöglicht "Zulassung des vorzeitigen Baubeginns"

Die Bundesnetzagentur stützt sich bei ihrer jetzt erteilten Genehmigung für die vier Teilabschnitte von "A-Nord" auf den § 44c, der vor einem Jahr neu ins Energiewirtschaftsgesetz eingefügt wurde. Dieser Paragraph ermöglicht die "Zulassung des vorzeitigen Baubeginns" vor Abschluss des Plangenehmigungsverfahrens, sofern ein öffentliches Interesse an der Beschleunigung besteht und "der Vorhabenträger nur Maßnahmen durchführt, die reversibel sind". Damit kann bei sehr umfangreichen und lang andauernden Baumaßnahmen bereits vor der Planfeststellung mit vorbereitenden Arbeiten begonnen werden.

Auf derselben gesetzlichen Grundlage erlaubte die Bundesnetzagentur Ende September dem Übertragungsnetzbetreiber TenneT erste Arbeiten an der 760 Kilometer langen HGÜ-Leitung "SuedOstLink" (231003). Zuvor hatten TransnetBW und TenneT mit den Bauarbeiten für das 700 Kilometer lange HGÜ-Erdkabel "SuedLink" begonnen (230709, 230915). Am "Ultranet"-Projekt arbeitet TransnetBW sogar schon seit 2020.

Wegen des noch ungewissen Trassen-Verlaufs sprach man anfangs von "Korridoren"

Was bisher noch fehlte, war die Inangriffnahme von "A-Nord". Der Name rührt von den Buchstaben, mit denen die drei von Nord nach Süd verlaufenden HGÜ-Trassen vor über einem Jahrzehnt in den amtlichen Planungen bezeichnet wurden. Da der Trassenverlauf noch weitgehend unklar war, sprach man vorsichtshalber von "Korridoren". So entsprach der Korridor A dem heutigen Projekt A-Nord/Ultranet, der Korridor C dem, was in heutiger Schreibweise SuedLink heißt, und der Korridor D dem aktuellen Projekt SuedOstLink einschließlich dessen noch immer unbestimmten Verlängerung um das Teilstück SuedOstLink+ (231003).

Für den Namen "Ultranet" beantragte Amprion sogar Markenschutz

Die Bezeichnung "A-Nord" wurde vom Übertragungsnetzbetreiber Amprion geprägt und verwendet, nachdem dieser sich durch ein Tauschgeschäft mit dem Partner TenneT, der ursprünglich den nördlichen Abschnitt bauen sollte, die alleinige Zuständigkeit gesichert hatte (160116). Die südliche Fortsetzung ab Osterath hieß dagegen von Anfang an Ultranet. Amprion beantragte für diesen Namen sogar Markenschutz, nachdem die vor über zehn Jahren durchgeführten Tests gezeigt hatten, dass die gemeinsame Anbringung von Gleich- und Drehstromleitungen hoher Spannung auf denselben Masten möglich war, ohne dass Blitzschlag, Magnetfelder oder Ionenwolken zu ungewollten oder sogar unbeherrschbaren Stromflüssen führen (120401).

Entscheidung für Erdkabel beseitigte das wichtigste Hindernis für eine zügige Verwirklichung

Vorübergehend war das "Ultranet"-Konzept als möglicher Ausweg im Gespräch, um den hartnäckigen Widerstand Bayerns gegen die Gleichstrom-Trasse D – den Vorläufer des heutigen SuedOstLink – überwinden zu können (150203). Wenig später beschloss die Bundesregierung jedoch, die Gleichstrom-Trassen vorrangig zu verkabeln (150701), worauf der Bundestag ein entsprechendes Gesetz beschloss (151203) und die Netzbetreiber passende Vorschläge ausarbeiteten (160903).

Damit entfiel das wichtigste Hindernis, das einer zügigen Verwirklichung der HGÜ-Projekte bisher entgegenstand, denn die Proteste der betroffenen Bevölkerung entzündeten sich vor allem an der Landschaftszerstörung und Grundstücksentwertung durch Freileitungen. Allerdings kostete nun allein die Verkabelung von SuedLink zwei Milliarden Euro (200617).

Unter ähnlich hohen Kosten verdrängte nun auch beim SuedOstLink die Erdverkabelung das vorübergehend erwogene Ultranet-Konzept: Im März 2017 beantragten 50Hertz und TenneT die Genehmigung für den ersten Bauabschnitt in Bayern. Da dieser inzwischen nicht mehr im Zuständigkeitsbereich von Amprion enden sollte (Isar statt Gundremmingen), kam es dabei mit TenneT zu dem bereits erwähnten Tauschgeschäft für den nördlichen Abschnitt von A-Nord (170302).

Unterbrechung in Osterath soll auch niederländische und belgische Stromnetze entlasten

Da die westliche Stromautobahn aus A-Nord und Ultranet nicht durchgehend von Emden bis Philippsburg verläuft, sondern am Umspannwerk Osterath unterbrochen wird, sind dort zwei zusätzliche Konverterstationen erforderlich, um die beiden Leitungen wahlweise mit dem 380-kV-Drehstromnetz zu verknüpfen oder direkt miteinander zu koppeln. Der Aufwand lohnt jedoch, weil sich so auch im rheinischen Revier Strom aus- oder einspeisen lässt. Hinzu soll der Einspeisepunkt Osterath die niederländischen und belgischen Stromnetze entlasten. Diese leiden bisher nämlich unter vagabundierenden Strömen aus Norddeutschland, die sich wegen der Engpässe im Netz über diese Nachbarländer den Weg nach Süden suchen.

Ab Koblenz verläuft Ultranet rechtsrheinisch bis zum ehemaligen KKW Philippsburg

Nach Osterath verläuft die Ultranet-Leitung zunächst 136 Kilometer links des Rheins. Sie überquert dann bei Koblenz den Fluss und führt über 163 Kilometer durch Rheinland-Pfalz und Hessen, wobei sie kurz vor Mannheim-Wallstadt die Landesgrenze nach Baden-Württemberg passiert. Von hier sind es dann noch 42 Kilometer bis zum Kernkraftwerk Philippsburg. Die für den letzten Abschnitt zuständige TransnetBW errichtet dort derzeit anstelle der beiden gesprengten Kühltürme des Kernkraftwerks (200508) die Konverterstation, welche die Gleichstrom-Leitung mit dem Drehstrom-Transportnetz verknüpft. Sie soll im Laufe des nächsten Jahres fertiggestellt werden. Am 20. Oktober veranstaltete TransnetBW für alle Interessierten einen "Tag der offenen Konverterbaustelle".

Bis 2033 sollen noch drei weitere HGÜ-Brücken fertig werden

Neben den drei großen HGÜ-Brücken, die den Strom weiträumig von Nord- nach Süddeutschland transportieren, gibt es noch drei kürzere HGÜ-Projekte, die aber lang genug sind, um auch hier die Vorteile der Hochspannungs-Gleichstromübertragung zu nutzen, anstatt sie in der herkömmlichen Weise als Drehstrom-Hochspannungsleitungen auszuführen. Im einzelnen sind dies

Von 14.000 neuen Trassenkilometern sind bisher erst 2.000 in Betrieb

Aktuell werden in Deutschland 119 Vorhaben und 14.000 Trassenkilometer neu gebaut. Zum größten Teil handelt es sich um Netzverstärkungen in konventioneller Drehstromtechnik. Nur etwa 2.000 Kilometer sind davon bereits vollständig in Betrieb. Rund 3.400 Kilometer befinden sich noch vor dem Genehmigungsverfahren und 1.500 Kilometer im Raumordnungs- oder Bundesfachplanungsverfahren. 5.400 Kilometer sind in der Planfeststellung und 1.500 Kilometer werden derzeit gebaut.

 

Links (intern)

zu A-Nord / Ultranet

zu SuedOstLink und SuedLink: