November 2017

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ENERGIE-CHRONIK


Wind-Zuschläge gingen zu 99,2 Prozent an "Bürgerenergiegesellschaften"

Bei der dritten Ausschreibung für landgestützte Windkraftanlagen dominierten sogenannte Bürgerenergiegesellschaften noch stärker als bei den vorangegangen zwei Runden und bekamen fast hundert Prozent der Zuschlagsmenge. Wie die Bundesnetzagentur am 22. November mitteilte, wurden für das Ausschreibungsvolumen von 1.000 Megawatt 210 Gebote mit einem Volumen von 2.591 Megawatt abgegeben. Hinter 89 Prozent der eingereichten Gebotsmenge standen dabei Bieter, welche die in § 36g des Energiewirtschaftsgesetzes enthaltenen Vergünstigungen für Bürgerenergiegesellschaften in Anspruch nahmen. Am Ende entfielen sogar 98 Prozent der 61 Zuschläge und 99,2 Prozent des Zuschlagsvolumens auf diese Rechtskonstruktion.

Beanspruchte Förderung sank auf nur noch 3,4 Cent/kWh

Bürgerenergiegesellschaften erhalten längere zeitliche Vorgaben für die Umsetzung der Projekte. Eine geschickte Ausnutzung dieses Geschäftsmodells begünstigt aber auch professionelle Windpark-Entwickler, wenn sie ihre Kalkulation auf eine neue, erst später verfügbare Generation von ertragsreicheren Rotoren gründen und deshalb besonders günstige Gebote einreichen können. Bei der jetzigen dritten Ausschreibungsrunde reichte der Gebotswert der bezuschlagten Gebote von 2,2 Cent/kWh bis zu 3,82 Cent/kWh. Im Mittel betrug er 3,4 Cent/kWh. Er war damit erneut niedriger als bei der vorangegangenen Ausschreibung: Bei der zweiten Ausschreibung betrug er 4,28 Cent/kWh, bei der ersten waren es noch 5,71 Cent/kWh.

UKA räumte dieses Mal 41 Prozent der Zuschlagsmenge ab

Am erfolgreichsten war wiederum der Windparkentwickler UKA Umweltgerechte Kraftanlagen GmbH & Co. KG mit Sitz in Meißen. Wie das Unternehmen am 22. November mitteilte, bekam es 23 der insgesamt 61 Zuschläge bzw. 38 Prozent. Mengenmäßig waren das 409,5 MW bei einer Zuschlagsvolumen von insgesamt 1000,4 MW bzw. 41 Prozent. Bei der vorherigen Ausschreibung hatte UKA sogar 689,25 MW erlangt. Bei einer Zuschlagsmenge von insgesamt 1013 MW waren das 68 Prozent oder gut zwei Drittel des Zuschlagsvolumens (170801).

An der ersten Ausschreibung beteiligte UKA sich wie üblich und ging leer aus

In einem Interview mit dem Magazin "Erneuerbare Energien" (3.11.) begründete UKA-Geschäftsführer Gernot Gauglitz, weshalb er auf das Geschäftsmodell "Bürgerenergiegesellschaft" umgestellt hat: Den Anstoß habe die erste Ausschreibung gegeben, bei der UKA Gebote für mehr als 100 MW abgab, aber keinen einzigen Zuschlag erhielt, während die als "Bürgerenergiegesellschaften" auftretenden Bieter 96 Prozent der Zuschläge einheimsten (170504). Daraufhin hätten Grundstückseigentümer bei ihm angerufen: "Was ist los? Ihr kriegt keine Zuschläge, wie soll es weitergehen? Haben wir uns den richtigen Partner gesucht?" Nach gründlicher Analyse sei die Entscheidung gefallen, in derselben Weise vorzugehen, "wie es andere Akteure in der ersten Runde vorgemacht hatten". Vor allem sei man "aktiv auf die Grundstückseigentümer und Partner in unseren Projekten zugegangen". UKA habe zwar die Gründung der diversen Bürgerenergiegesellschaften angestoßen und "nach der Bereitschaft gefragt, mit uns als Planer und Generalunternehmer die Projekte umzusetzen". Aber nur der Gründungskommanditist sei jeweils ein Mitarbeiter von UKA. Die Firma selber sei nicht an den Gesellschaften beteiligt.

Der UKA-Chef ist der Ansicht, daß seine Firma sich "in einem normalen Marktumfeld in den Ausschreibungen mit fast allen Projekten durchgesetzt hätte". Deshalb plädiert er auch für die Abschaffung der Sonderregelung: "Ich bin für einen funktionierenden Markt, und dafür muß Chancengleichheit gegeben sein. Aber solange die nicht besteht, wird UKA sich auf die Wettbewerbssituation einstellen."

Es gibt schon mehrere Klagen gegen die Bundesnetzagentur

Schon bei den beiden ersten Ausschreibungen war klar geworden, daß das Konstrukt der "Bürgerenergiegesellschaften" insofern mißraten ist, als es in erster Linie von großen Windkraft-Projektierern ausgenutzt wird, anstatt kleine lokale Windrad-Initiativen ohne kommerzielle Erfahrung zu begünstigen (170801). Beim Oberlandesgericht Düsseldorf sind deshalb bereits mehrere Klagen gegen die Bundesnetzagentur anhängig. Diese kann sich allerdings darauf berufen, daß die bisherige Überprüfung der bezuschlagten Gebote keine formalen Rechtsfehler ergeben hat. Es wäre also die Schuld des Gesetzgebers, wenn die Bundesnetzagentur ein untaugliches Gesetz ausführt.

Nachbesserung muß im ersten Halbjahr 2018 erfolgen

Der Gesetzgeber hat den Änderungsbedarf schon nach der ersten Ausschreibung grundsätzlich erkannt, die Notbremse aber mit eingebauter Verzögerung ausgelöst: Im Juni wurde den Übergangsbestimmungen in § 104 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ein neuer Absatz 8 eingefügt, der die Vergünstigungen für "Bürgerenergiegesellschaften" suspendiert. Diese Bestimmung gilt allerdings erst und nur für die beiden Ausschreibungen am 1. Februar und 1. Mai 2018. Deshalb mußte die Bundesnetzagentur auch die dritte Ausschreibung dieses Jahres noch zu den alten Bedingungen durchführen, und wenn der Gesetzgeber sich keine vernünftigere Regelung einfallen läßt, wird dies ab der zweiten Jahreshälfte 2018 weiterhin so sein (Termine und Mengen der einzelnen Ausschreibungen sind durch § 28 des EnWG festgelegt).

 

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