Juni 2017

170610

ENERGIE-CHRONIK


Vattenfall legt Pumpspeicherkraftwerke still

Der Vattenfall-Konzern will zumindest zwei seiner insgesamt acht Pumpspeicherkraftwerke vorläufig stillegen und zum Verkauf anbieten. Wie er am 2. Juni mitteilte, handelt es sich um das ehemalige HEW-Pumpspeicherkraftwerk Geesthacht und die ostdeutsche Anlage Niederwartha. Beide speisen ins 110-kV-Netz ein (siehe Tabelle). Die Gesamtkapazität des größten deutschen Betreibers von Pumpspeicher-Kraftwerken verringert sich dadurch um knapp sechs Prozent auf 2.634 MW.

In der Vattenfall-Pressemitteilung war allerdings von einer verbleibenden Gesamtkapazität von 2.500 MW die Rede. Dies wäre der Stand, wenn auch die ostdeutschen Pumpspeicherkraftwerke Bleiloch (79,8 MW) und Hohenwarte 1 (59,8 MW) stillgelegt würden. Auf Nachfrage hieß es dazu, daß über die Einbeziehung dieser beiden Anlagen noch nicht endgültig entschieden sei. Auf jeden Fall werde aber eine Rest-Kapazität von 2.500 MW nicht unterschritten.

Der Pumpspeicher Niederwartha (Sachsen) befindet sich bereits im "Übergangsbetrieb". – So umschreibt Vattenfall die vorläufige Stillegung, bei der die Anlage "in einem betriebsfähigen Zustand gehalten wird, aber nicht ständig betriebsbereit ist". In Kürze soll nun auch die Anlage Geesthacht folgen. Die vorläufigen Stillegungen sollen bis Ende 2019 umgesetzt werden. Damit verbunden ist ein Personalabbau, der voraussichtlich mehr als die Hälfte von bislang rund 420 Vollzeitstellen beseitigen wird.

"Pumpspeicher sind die Stiefkinder der Energiewende"

"Wir müssen trotz kräftezehrender Versuche an allen Fronten der Energiewende zur Kenntnis nehmen, daß die Pumpspeicher die Stiefkinder der Energiewende sind", begründete der Geschäftsführer der Vattenfall Wasserkraft GmbH, Peter Apel, die einschneidende Maßnahme. "Sowohl die Rahmendaten am Strommarkt, als auch die regulatorischen Rahmenbedingungen haben dazu geführt, daß diese Anlagen seit vielen Jahren unter hohem wirtschaftlichem Druck stehen und rote Zahlen schreiben. Die jetzt eingeleiteten Maßnahmen sind eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Aber nur so besteht eine realistische Chance, die Pumpspeicher langfristig zu erhalten."

Schon 2015 hat Vattenfall die sieben ostdeutschen Pumpspeicherkraftwerke zusammen mit den Braunkohle-Kraftwerken Boxberg, Jänschwalde, Schwarze Pumpe und Lippendorf zu verkaufen versucht (150902). Im Unterschied zu den 13 Braunkohle-Blöcken waren die Wasserkraftanlagen aber nicht umsonst zu haben. Der tschechische EPH-Konzern, der Vattenfall die Braunkohle-Lasten gegen Aufgeld abnahm, zeigte deshalb an einer Übernahme kein Interesse (160401).

In Geesthacht enthält das Speicherbecken eine dicke Schicht Sondermüll

Ausgenommen vom Verkaufsangebot blieb damals nur das Pumpspeicherkraftwerk Geesthacht. Daß es sich nun auch auf der Liste der stillzulegenden Anlangen befindet, obwohl es mit 119 MW deutlich leistungsfähiger ist als Bleiloch, Wendefurth, Hohenwarte 1 und Niederwartha, dürfte mit den besonders ungünstigen Bedingungen an diesem Standort zu tun haben: In Geesthacht gibt es kein unteres Speicherbecken. Stattdessen wird das Wasser aus der Elbe in das 90 Meter höher gelegene Speicherbecken auf dem Geesthang neben dem stillgelegten Kernkraftwerk Krümmel hochgepumpt. Das Land Schleswig-Holstein verlangt jedoch für jede Füllung des Speicherbeckens rund 3.000 Euro an "Oberflächenwasserabgabe". Früher kostete eine Füllung des Speicherbeckens sogar über 25.000 Euro. Dabei dient das teuer bezahlte Wasser lediglich als Arbeitsmedium und strömt unverändert in die Elbe zurück. Hinzu ist es von denkbar schlechter Qualität: In den knapp sechzig Jahren seit der Inbetriebnahme hat sich auf dem Grund des Speicherbeckens eine dicke Sedimentschicht angesammelt, die noch nie ausgebaggert wurde. Sie stammt vor allem aus der Zeit, als die Elbe noch stark mit Giftstoffen wie Arsen, Quecksilber, Blei und Kadmium aus der DDR und der Tschechoslowakei belastet war.

Nach Angaben von Vattenfall gegenüber dem zuständigen Kreis Herzogtum Lauenburg ergab eine Echolotvermessung im Jahr 2015, daß im Oberbecken etwa 640.000 Kubikmeter Sediment liegen. Bei einem Fassungsvermögen von insgesamt 3,3 Millionen Kubikmetern wird damit die Kapazität des Speicherbeckens deutlich beeinträchtigt. Die Ablagerungen müßten als Sondermüll entsorgt werden, was grob gerechnet eine dreistellige Millionensumme kosten würde.

 


Die acht Pumpspeicherkraftwerke von Vattenfall

(vorläufig stillgelegte Anlagen rot markiert)

Pumpspeicherkraftwerk
Inbetriebnahme
MW (netto)
Netzebene
Geesthacht
1958
119,1
110 kV
Goldisthal
2004
1.052,0
380 kV
Hohenwarte 1
1959
59,8
110 kV
Hohenwarte 2
1966
317,8
220 kV
Markersbach
1980
1.045,2
380 kV
Niederwartha
1957
39,8
110 kV
Bleiloch
1932
79,8
110 kV
Wendefurth
1967
79,7
110 kV
insgesamt
2.793,2
 
davon vorläufig stillgelegt bzw. zum Verkauf vorgesehen
158,9
 

 

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