Mai 2017

Hintergrund

ENERGIE-CHRONIK


 

Diese Grafik zeigt den Kurs der Solarworld-Aktie von Anfang 2000 bis Mai 2017, wobei die mehrfache Ausgabe von Gratisaktien und der drastische Kapitalschnitt von 2013/14 berücksichtigt sind. So wird die Wertveränderung der Aktie über 17 Jahre hinweg ersichtlich. Die angezeigten Börsenkurse mit bis zu über 7000 Euro pro Aktie gab es in der Realität aber nie. Sie sind vielmehr erst durch nachträgliche Anpassungen des Börsen-Charts entstanden. Unterhalb der Grafik sieht man die realen Kurse, zu denen die Solarworld-Aktie jeweils am Jahresende gehandelt wurde.

Der "Sonnenkönig" dankt ab

Frank Asbeck hielt stur an einem Geschäftsmodell fest, das seit zehn Jahren überholt war

(zu 170505)

Man nannte ihn – halb anerkennend, halb ironisch – den "Sonnenkönig": Frank Asbeck war vor zehn Jahren die strahlende Galionsfigur der deutschen Solarmodul-Industrie. Seine Solarworld AG war das größte und erfolgreichste Unternehmen der Branche. Als der Boom nachließ und die Gewinne schließlich von roten Zahlen abgelöst wurden, überlebte sie als einzige. Der Sonnenkönig war nämlich auch ein begnadeter Überredungskünstler und konnte seine Aktionäre zu einem selbstmörderisch anmutenden Kapitalschnitt bewegen. Es folgten knapp vier Jahre, in denen er ihnen – allen Unkenrufen und der realen Geschäftsentwicklung zum Trotz – den Wiedereinzug ins gelobte Land der schwarzen Zahlen verhieß. Inzwischen ist klar, daß daraus nichts wird: Am 11. Mai mußte der Sonnenkönig endgültig abdanken und das weitere Schicksal der Solarworld AG dem Insolvenzverwalter überlassen.


Mit dem "Real Value" war es nicht so weit her, wie Frank Asbeck die Aktionäre glauben machen wollte.
© SolarWorld AG

Von Beruf war der Sonnenkönig eigentlich Diplom-Landwirt, was vielleicht seine Neigung erklärt, in eher spießig wirkenden Trachtenjacken aufzutreten. Er leistete sich aber auch großbürgerlich-feudale Allüren: So schenkte er zum Dreikönigstag 2008 dem Vatikan eine Solaranlage für das Dach der päpstlichen Audienzhalle. Im selben Jahr kaufte er das schloßartige Gut Calmuth bei Remagen samt umliegenden Wäldern, um dort seiner Jagdleidenschaft zu frönen. Er schwamm damals derart im Geld, daß er zur selben Zeit dem US-Konzern General Motors ein durchaus ernsthaft gemeintes Übernahmeangebot für dessen deutsche Tochter Opel unterbreiten konnte.

Das Märchen von den 7000 Euro pro Aktie

Es trifft aber sicher nicht zu, daß die Solarworld-Aktie "in den guten Zeiten des Unternehmens im Jahr 2007 an der Börse schon einmal mehr als 7000 Euro wert gewesen" sei, wie das ausgerechnet die sonst wirtschaftskundige "Frankfurter Allgemeine" (12.5.) ihren Lesern erzählte. Da hat sie den splitbereinigten historischen Kurs mit dem tatsächlichen Börsenwert verwechselt. Tatsächlich lag der Höchstwert des Papiers im November 2007 bei 47,95 Euro. Man hätte also diesen Betrag ausgeben müssen, um eine Aktie zu erwerben. Für die genannte Summe von mehr als 7000 Euro hätte man dagegen gleich 150 Aktien bekommen. Zu der hundertfünfzigfachen Aufwertung des historischen Aktienkurses kam es erst 2013/14, als die alten Aktionäre um denselben Faktor ärmer wurden.

Die 47,95 Euro, die eine Aktie im November 2007 tatsächlich kostete, waren aber auch nicht ganz echt: Tatsächlich hätte die Aktie 767 Euro kosten müssen, wenn der Ausgabepreis von 13,75 Euro sich geradlinig nach oben entwickelt hätte. Das war aber nicht geschehen, weil der Kurs nach unten manipuliert worden war. Und zwar auf ganz legale Weise.

Um das zu verstehen, muß man sich von der Vorstellung lösen, daß ein explodierender Aktienkurs für die Kapitalanleger so anziehend sei wie das Licht für die Motten. Für das Einsammeln neuen Kapitals kann er sogar eher hinderlich sein. Zum Beispiel dann, wenn die Aktien vergleichbarer Unternehmen günstiger zu haben sind. Und erst recht, wenn der Höhenflug nach einer Blase riecht, die sich schon bald wieder verflüchtigen könnte. Es gibt deshalb einen gängigen Trick, um eine Aktie optisch billiger, leichter handelbar und für breitere Anlegerschichten attraktiver zu machen. Dieser Trick wird als Aktiensplitting bezeichnet.

Bis 2007 schrumpfte der Börsenkurs durch Ausgabe von Gratisaktien auf ein Sechzehntel

Das Aktiensplitting geht beispielsweise so vor sich, daß die Aktionäre anstelle ihrer alten Aktien mit einem Nominalwert von 10 Euro und einem Kurswert von 100 Euro zwei neue Aktien mit dem Nominalwert von 5 Euro erhalten. Damit ändert sich weder ihre Beteiligung am Grundkapital noch die Marktkapitalisierung ihrer Aktien, aber der Kurs an der Börse halbiert sich auf 50 Euro. Bei einer anderen Variante wird das Grundkapital aus Gesellschaftsmitteln erhöht und die Erhöhung den Aktionären in Form von "Berichtigungsaktien" gutgeschrieben. Auch hier ändert sich an den Beteiligungsverhältnissen nichts, während der Börsenkurs entsprechend sinkt.

"Um die Liquidität und Attraktivität der Solarworld-Aktien zu erhöhen", wie es im Finanzbericht hieß, hat sich Frank Asbeck von der Hauptversammlung insgesamt drei solcher Operationen genehmigen lassen. Die erste fand im Mai 2005 statt, wobei das Grundkapital von 6.350.000 auf 12.700.000 Euro verdoppelt wurde. Das heißt, daß jeder Aktionär pro Aktie eine neue mit demselben Nominalwert erhielt. Dadurch wurden sämtliche Aktien fortan nur noch zum halben Kurs an der Börse notiert, während sich die Marktkapitalisierung nicht veränderte.

 


Nicht rentabel, aber ein Schnäppchen: Für die Übernahme der Fabrik in Arnstadt soll Solarworld von Bosch sogar ein Aufgeld bekommen haben.
© SolarWorld AG
  

Von der Bonner Zentrale aus steuerte Asbeck ein Unternehmen mit über 3000 Beschäftigten und hatte es nicht weit zu seinen beiden Schlössern.
© SolarWorld AG

 

Im Juni 2006 folgte ein weiterer Aktiensplit, wobei jeder Aktionär pro Papier gleich drei Gratisaktien erhielt. Wer beim Börsenstart im November 1999 eine Aktie zum Ausgabepreis von 13,75 Euro gekauft hatte, verfügte nun über acht Aktien, und der 2005 halbierte Börsenkurs wurde nochmals geviertelt. Als dann im Juni 2007 erneut Gratisaktien im Verhältnis 1:1 ausgegeben wurden, waren aus ursprünglich einer Aktie 16 geworden, und der Börsenkurs schrumpfte auf ein Sechzehntel.

Die "Charts", welche die Kursentwicklung einer Aktie abbilden, berücksichtigen solche Aktiensplittings, indem sie die Börsenwerte automatisch korrigieren, und zwar auch rückwirkend: Deshalb schrumpfte nicht nur der im November 2007 erreichte Höchstwert der Solarworld-Aktie von eigentlich 767 Euro auf nur noch 47,95 Euro. Auch alle anderen Kurse wurden entsprechend angepaßt, bis hin zum Ausgabepreis des Jahres 1999, der anstelle von real 13,75 Euro nur noch fiktive 0,86 Cent betrug.

Seit 2008 ging es mit den deutschen Solarmodul-Herstellern langsam aber sicher abwärts

Das erklärt freilich noch lange nicht den Höchstkurs von mehr als 7000 Euro, den die Solarworld-Aktie laut den Charts im November 2007 erreichte und den die FAZ voreilig für bare Münze nahm. Immerhin ist das 150-mal mehr als das Papier tatsächlich kostete. Es muß also etwas sehr Einschneidendes passiert sein, damit aus dem anfänglichen Heruntermanipulieren des Börsenkurses um das Sechzehnfache nachträglich eine fiktive Erhöhung um das 150-fache wurde – selbstverständlich wiederum ganz legal.

Dieser tiefgreifende Einschnitt war der Niedergang, der die ganze Solarmodul-Branche ab etwa 2008 langsam aber sicher erfaßte. Nicht nur Solarworld hat damals traumhafte Renditen erzielt. Auch andere Solarfirmen wie Solon oder Q-Cells erwirtschafteten üppige Gewinne. Das hatten sie vor allem den politischen Rahmenbedingungen zu verdanken: Die Abstriche an den gesetzlich festgelegten Einspeisevergütungen blieben regelmäßig hinter den ständig fallenden Kosten der Solaranlagen zurück. So ergaben sich Mitnahme-Effekte, die letztendlich von den Stromverbrauchern mit der EEG-Umlage bezahlt werden mußten.

Überhöhte Profite schwächten die Branche, anstatt sie zu stärken

Jener Teil der Solarstrom-Gemeinde, der nicht von kurzsichtigen Profitinteressen getrieben wurde oder zumindest nicht am Boom partizipierte, warnte schon 2007 vor dieser Überförderung: Sie sei unnötig, politisch deplaziert und kontraproduktiv. Die Verwöhnung der Branche gefährde deren Konkurrenzfähigkeit und behindere die Weiterentwicklung der Photovoltaik zu einer noch preisgünstigeren Stromquelle. Schon seit 2014 hätten sich die Preise für Photovoltaik-Anlagen von den tatsächlichen Kosten der Hersteller abgekoppelt. Weil die Nachfrage weitaus größer sei als das Angebot, würden Kostensenkungen nicht mehr an die Kunden weitergegeben. Die Umsatzrendite von Solarworld liege inzwischen über der von Google, die von Q-Cells über der von Ebay. Gemäß einer Studie von "Photon Consulting" habe die Industrie ihre durchschnittliche Umsatzrendite entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von der Siliziumproduktion bis zum fertigen Modul, binnen zwei Jahren von 15 auf 30 Prozent verdoppelt. Die installierenden Handwerker hätten dagegen weniger profitiert, da sie unter dem unvermindert hohen Niveau der Einkaufspreise für Solarmodule litten (070615).

Der inzwischen gut organisierten Lobby der Solarmodul-Hersteller gelang es aber jahrelang, die möglichen und notwendigen Abstriche zu verhindern (080507). Eine wichtige Rolle spielte dabei Frank Asbeck, der sich vor seiner Unternehmensgründung als Regionalpolitiker der Grünen betätigt hatte und auch nach der Ablösung der bis 2005 amtierenden rot-grünen Bundesregierung über gute politische Kontakte verfügte.

 

Während Aktien und Gewinne der deutschen Solarmodul-Hersteller ab 2008 auf Talfahrt gingen, nahm der jährliche Zubau an Photovoltaik-Leistung bis 2010 um fast das Sechsfache zu und blieb drei Jahre lang auf diesem hohen Niveau.

 

Zwickmühle aus chinesischer Konkurrenz und Abstrichen an der Förderung

Auf Dauer war das komfortable Geschäftsmodell zu Lasten der EEG-Umlage aber doch nicht zu halten. Ab etwa 2009 geriet es in den Zangengriff von gleich zwei Faktoren, die den bislang erfolgreichen deutschen Solarzellen-Unternehmen deutliche Blessuren zufügten und schließlich den Garaus machten: Zum einen drängten nun zunehmend chinesische Hersteller auf den lukrativen Markt (090812). Zum anderen beschloß die Politik zunehmend wirksamere Abstriche an der Überförderung (080601, 100501, 110201, 120602). Beides zusammen ergab eine brisante Mischung und hatte zur paradoxen Folge, daß der Zubau an Solaranlagen vorerst weiter in die Höhe schoß, während die Gewinne der Solarunternehmen auf Talfahrt gingen.

Photovoltaik-Zubau erreichte Rekordhöhen, während es mit den Solarfirmen abwärts ging

Im Jahr 2010 schnellte der Zubau, der im Vorjahr 3800 MW betragen hatte, auf die Rekordhöhe von 7378 MW. In den beiden folgenden Jahren blieb er auf diesem Niveau und übertraf es sogar noch leicht (siehe Grafik 2). Erst 2013 sackte er plötzlich auf weniger als die Hälfte ab und war fortan jedes Jahr weiter rückläufig (130706). Im Jahr 2016 betrug er nur noch 1.347 Gigawatt oder knapp 18 Prozent des Stands von 2012. Er lag auch weit unter den 2.400 MW, die im EEG als Untergrenze des gewünschten Zubaues vorgesehen waren. Dem Photovoltaik-Zubau erging es damit ähnlich wie einem Patienten, bei dem Beruhigungsmittel nur mit Verzögerung wirken, worauf ihm eine Überdosis verabreicht wird, an der er fast stirbt (siehe Hintergrund, November 2015).

Während der Zubau noch auf einem Rekord-Hoch verharrte, zeichneten sich bei den deutschen Solarzellen-Produzenten bereits kräftige Bremsspuren und erste Totalschäden ab. Die chinesischen Anbieter konnten die einheimischen Hersteller unterbieten und verdienten selbst da noch, wo die bislang verwöhnten Konkurrenten aus der Gewinnzone rutschten. Der Preisdruck, der durch die Abstriche an den Vergütungen entstand, begünstigte so die Chinesen zusätzlich. Typisch für die veränderte Situation war der Solarmodul-Hersteller Solon, der sich erst 2008 für viel Geld ein futuristisch anmutendes Hauptquartier in Berlin-Adlershof zugelegt hatte und Ende 2011 Insolvenz anmelden mußte (111212). Wenig später folgten Q-Cells und Odersun (120405), Sovello (120511) und Conergy (130705). Sogar der finanzkräftige Bosch-Konzern, der erst 2008 in die Produktion kristalliner Zellen eingestiegen war (080617), zog sich nun wieder unter hohen Verlusten aus diesem Geschäftsbereich zurück, weil er selbst langfristig keine Besserung erwartete (130305).

 


Im sächsischen Freiberg bangen rund 1.200 Beschäftigte um ihre Arbeitsplätze. Schon im Herbst 2016 war es zu Entlassungen gekommen. Weitere wurden im Februar angekündigt.
© SolarWorld AG
  

In Hillsboro im US-Staat Oregon betreibt Solarworld seit 2008 nach eigenen Angaben "die größte Photovoltaikproduktionsfabrik der westlichen Hemisphäre".
© SolarWorld AG

 

Aktionäre wurden arm wie Kirchenmäuse – aber Asbeck kaufte sich ein zweites Schloß

Im Sommer 2013 stand auch die einst so erfolgreiche Solarworld AG vor der Insolvenz. Frank Asbeck konnte die Aktionäre aber zu einem drastischen Kapitalschnitt überreden (130807). Am 20. Januar 2014 wurde das Grundkapital durch Aktienzusammenlegung von 111.720.000 auf 744.800 Euro reduziert. Am 14. Februar 2014 folgte die Ausgabe von 14.151.200 jungen Aktien mit einer Erhöhung des Grundkapitals auf 14.896.000 Euro. Praktisch bedeutete dies, daß die bisherigen Aktionären nur noch fünf Prozent am Grundkapital besaßen, während die Gläubiger den Rest übernahmen. Nach Abschluß dieser finanziellen Umstrukturierung gehörte der Konzern zu 29 Prozent dem Emirat Qatar, das auch einen Kredit von 50 Millionen Euro gewährte, während Asbeck 20,9 Prozent besaß und erneut als Vorstandsvorsitzender amtierte.

Ein halbes Jahr vor der mühsam abgewendeten Insolvenz hatte Asbeck sein Jagdrevier um Schloß Calmuth noch vergrößert, indem er dem Fernseh-Entertainer Thomas Gottschalk das benachbarte Schloß Marienfels abkaufte. Der Preis soll um die fünf Millionen Euro betragen haben. Trotz der miesen Geschäftslage sah der Solarworld-Chef offenbar keinen Anlaß, an seinem privaten Luxus Abstriche vorzunehmen.

Die Aktionäre wurden dagegen so arm wie Kirchenmäuse: Durch die Aktienzusammenlegung vom Januar 2014 schrumpfte ihr Vermögen mit dem Grundkapital auf ein Hundertfünfzigstel des bisherigen Werts. Dies war der Grund, weshalb in den Charts nun der Kurs der 744.800 Solarworld-Aktien, die mit jeweils einem Euro am Grundkapital partizipierten, rückwirkend um den Faktor 150 nach oben korrigiert wurde. In der Rückschau ergaben sich so phantastisch überhöhte Werte bis zu über 7000 Euro oro Aktie. Erst ab 2014 stimmten die in den Charts angegebenen Zahlen mit den tatsächlich gezahlten Börsenpreisen wieder überein. Und die waren so mickrig, daß sie in der grafischen Darstellung der historischen Kursentwicklung nahezu mit der Null-Linie verschmolzen (siehe Grafik 1).

 


Anfang 2013 erweiterte Asbeck sein Jagdrevier am Rhein durch den Kauf des benachbarten Schlosses Marienfels.
Foto: Tohma/Wikipedia

Für die Übernahme der Bosch-Fabrik soll Solarworld sogar ein Aufgeld erhalten haben

Um wieder auf einen grünen Zweig zu kommen, hätte Asbeck spätestens jetzt sein Geschäftsmodell umstellen müssen. Zum Beispiel zeichnete sich ein wachsender Bedarf für Eigenversorgung ab, da Solarstrom inzwischen so billig geworden war, daß er als Alternative zum Strom aus dem Netz in Betracht kam. Die Chinesen hätten schwerlich mit Solar-Angeboten konkurrieren können, die außer Modulen auch Wechselrichter, Batteriespeicher, Strommanagement, Montage, Wartung oder Finanzierungsmöglichkeiten umfassen. Heute wirbt sogar ein Konzern wie E.ON mit solchen Komplettlösungen um Kunden.

Indessen änderte Asbeck kaum etwas an dem Geschäftsmodell, mit dem er soeben gescheitert war. Als ihm die Abwendung der Insolvenz gelungen war, kaufte er als erstes die Solarzellen-Produktion des Bosch-Konzerns in Arnstadt, die der bisherige Eigentümer wegen langfristiger Unrentabilität stillegen wollte, nachdem er mit seinem Spät-Einstieg in die Photovoltaik bereits gut zwei Milliarden verbrannt hatte. Wobei das Wort "kaufen" der Sache nicht angemessen ist: Tatsächlich soll Bosch ein Millionen-Aufgeld gezahlt haben, damit Solarworld das Werk mit rund 800 Beschäftigten fortführte. In einer firmenoffiziellen Verlautbarung hieß es dazu lediglich: "Der Kauf wird die Finanzmittel der Solarworld AG nicht reduzieren."

Anscheinend sah Asbeck die Chance von Solarworld gerade darin, als einziger überlebt zu haben und das Erbe der verblichenen Firmen günstig einsammeln zu können. Im übrigen scheint er gehofft zu haben, daß politischer Flankenschutz schon dafür sorgen werde, daß der letzte große europäische Hersteller von Solarzellen nicht auch noch verschwindet. Bestärkt haben müssen ihn in solchen Erwartungen die Erfolge, die er mit seinen Anti-Dumping-Beschwerden gegen die chinesische Konkurrenz erst in den USA (120511, 121013) und dann auch in Europa erzielte (130613, 130807).

Technische Verbesserungen gibt es auch bei der chinesischen Konkurrenz


Klappern gehört zum Geschäft: Seit 2005 verlieh die Solarworld AG jedes Jahr den von ihr gestifteten "Einstein Award". Das Foto zeigt Frank Asbeck mit dem Preistrager des Jahres 2016, dem Ulmer Hochschulprofessor Peter Adelmann.
© SolarWorld AG

Zugleich erweckte Asbeck gern den Eindruck, als ob die kristallinen Zellen der Solarworld AG ein technisches Alleinstellungsmerkmal besäßen und der chinesischen Konkurrenz um Längen voraus seien. Das Zauberwort hieß "Passivated Emitted Rear Cell" oder kurz PERC. Eine solche Solarzelle ist rückseitig verspiegelt. Sie erreicht dadurch einen Wirkungsgrad von 21 Prozent (monokristallin) bzw. 18,6 Prozent (polykristallin). Anfang 2016 präsentierte die Solarworld in ihrem Forschungs- und Entwicklungszentrum Freiberg sogar ein monokristallines Ergebnis von 22 Prozent. Dieselben und noch höhere Effizienzgewinne erzielten allerdings auch andere Unternehmen. Zum Beispiel berichtete die US-Firma Solarpower am 8. Mai dieses Jahres, daß sie mit dieser Technologie (die bei ihr PERT heißt) ein Spitzenergebnis von 22,8 Prozent erzielt habe. Solarpower gehört seit 2011 dem chinesischen Hersteller LDK und hat schon vorher Module in China produzieren lassen.

Auf der Liste der Kapitalvernichter an erster Stelle

Bald stellte sich aber heraus, daß die erhoffte Kehrtwende ausblieb und alle Opfer der Aktionäre vergebens waren. Der enttäuschende Geschäftsverlauf widerspiegelte sich im Börsenkurs: Schon im ersten Halbjahr 2014 büßte die neu positionierte Aktie drei Viertel ihres Werts ein. Im Mai dieses Jahres war gerade noch ein Sechzehntel übrig.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hatte dem Neubeginn nie getraut. Auf ihrer Liste der größten Kapitalvernichter belegte die Solarworld AG sowohl 2014 als auch 2015 den ersten Platz (150304). Je nach betrachtetem Zeitraum errechnete die DSW einen Kursverlust von 82 Prozent (1 Jahr), 97,3 Prozent (drei Jahre) oder sogar 99,5 Prozent (fünf Jahre). Damit habe Solarworld "die schlechteste Performance aller nicht insolventen Unternehmen".

Dennoch gab sich Asbeck noch auf der jüngsten Bilanzpressekonferenz am 29. März alle Mühe, die miserable Lage zu beschönigen: "Bis 2019 wollen wir operativ wieder in den schwarzen Zahlen sein und das dann auch bleiben", erklärte er. Das war offensichtlich Wunschdenken: Nur sieben Wochen später teilte der Vorstand mit, "daß im Zuge des aktuellen Geschäftsverlaufs und der weiter voranschreitenden Preisverwerfungen keine positive Fortbestehensprognose mehr besteht". Die Gesellschaft sei damit überschuldet und werde beim zuständigen Amtsgericht Bonn unverzüglich die Insolvenz beantragen.

Für den 3. Juli hat die Solarworld AG ihre Aktionäre zur ordentlichen Hauptversammlung nach Bonn eingeladen. Die Tagesordnung erweckt den Anschein von "business as usual". Von der Insolvenz ist nur indirekt und beiläufig die Rede: Unter Punkt 2 will der Vorstand mitteilen, "daß bei der Gesellschaft ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals eingetreten ist". Unter Punkt 3 und Punkt 4 wird dann vorgeschlagen, den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2016 die Entlastung zu erteilen. Ganz so glatt dürfte die Veranstaltung aber wohl kaum über die Bühne gehen.