März 2017

170314

ENERGIE-CHRONIK


Union will Euratom-Vertrag weder kündigen noch reformieren

Die Unionsparteien wollen den vor 60 Jahren geschlossenen Euratom-Vertrag weder reformieren noch kündigen, obwohl er mit der "Energiewende" unvereinbar ist und diese in anderen europäischen Ländern blockieren hilft. Dies zeigte sich am 23. März in der Bundestagsdebatte über zwei Anträge, welche die Oppositionsparteien zu diesem Thema eingebracht hatten: Die Grünen verlangten eine grundlegende Reform des Vertrags oder dessen Kündigung. Die Linke wollte ihn gänzlich beenden und durch eine alternative Europäische Gemeinschaft zur Förderung von Erneuerbaren Energien ersetzen. Das Plenum folgte dem Beschluß des Ausschusses für Wirtschaft und Energie, der die Ablehnung beider Anträge mit den Stimmen der schwarz-roten Koalition empfohlen hatte. Dennoch bezog die SPD in der Debatte eine deutlich andere Position als die Union.

CSU-Abgeordnete bezeichnet Anträge als "europafeindlich"

Für die Unionsparteien warf die CSU-Abgeordnete Barbara Lanzinger den Antragstellern vor, "mit ihren Verbotsanträgen den anderen EU-Ländern zu diktieren und vorzuschreiben, wie sie die Energiepolitik zu gestalten haben". Beide Anträge seien "europafeindlich". Der Euratom-Vertrag sei "einer der beiden Grunddokumente der Europäischen Union". Er sei "nach wie vor dem Grunde nach sinnvoll und gerade zum 60. Geburtstag der EU ein starkes politisches Signal für Europa". Wenn die Opposition ihn als "böse Atomkraftwerksförderungsmaschinerie" darstelle, sei dies einfach falsch und lächerlich.

SPD-Sprecherin anerkennt die wesentlichen Punkte der Kritik

Im Unterschied zum Koalitionspartner ließ die SPD-Abgeordnete Nina Scheer erkennen, daß sie die wesentlichen Punkte der Kritik teilt und eine Reform des Euratom-Vertrags für wichtig erachtet. Das soeben beschlossene Standortauswahlgesetz (170301) habe gezeigt, mit welch enormen Lasten und Risiken die Nutzung der Atomenergie verbunden sei. Dagegen verfolge der Euratom-Vertrag laut seiner Präambel das Ziel, die Voraussetzungen für "eine mächtige Kernindustrie zu schaffen" und preise die Kernenergie als "unentbehrliche Hilfsquelle für die Entwicklung und Belebung der Wirtschaft und für den friedlichen Fortschritt".

Schon vor zehn Jahren verlangte die Bundesregierung eine Überarbeitung des Vertrags

Scheer zitierte ausführlich die Erklärung, die Deutschland gemeinsam mit Österreich, Schweden, Ungarn und Irland zu dem am 13. Dezember 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon abgegeben hat, mit dem die "Europäische Gemeinschaft" zur "Europäischen Union" wurde. Die seinerzeitige schwarz-rote Bundesregierung und die Regierungen der vier anderen Staaten stellten darin fest, daß die Bestimmungen des Euratom-Vertrags "seit seinem Inkrafttreten in ihrer Substanz nicht geändert worden sind und aktualisiert werden müssen". Sie unterstützten deshalb "den Gedanken einer Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedsstaaten, die so rasch wie möglich einberufen werden sollen". Die Einberufung einer solchen Konferenz sei aber bis heute nicht erfolgt, resümierte die SPD-Abgeordnete. Genauso folgenlos sei ein Beschluß der 56. Europaministerkonferenz vom November 2011 geblieben, der die Überarbeitung des Euratom-Vertrags verlangte, weil er den heutigen Anforderungen an die Sicherheit einschließlich einer angemessenen Forschungsförderung nicht mehr gerecht werde.

"Jein" aus Gründen der Koalitionsräson

Ferner verwies die SPD-Abgeordnete darauf, daß ihre Partei bereits in der letzten Legislaturperiode die schwarz-gelbe Bundesregierung aufgefordert habe, auf eine Streichung aller Passagen im Euratom-Vertrag hinzuwirken, die der Kernenergie eine Sonderstellung einräumen und Investitionen in diesen Bereich begünstigen. Zum Schluß ihrer Rede verwies sie aber plötzlich darauf, daß die EU momentan "sehr starke Auseinandersetzungen und schwierige Konflikte jenseits des Euratom-Vertrags zu bewältigen" habe und es noch einer intensiven Debatte darüber bedürfe, wie die Reform des Vertrags auszusehen habe. Deshalb sei sie der Meinung, daß die Anträge der Oppositionsparteien abzulehnen seien. Der Linke-Abgeordnete Alexander Ulrich verband daraufhin sein Lob für diese "sehr gute" Rede mit der maliziösen Frage, weshalb die SPD-Abgeordnete zu dem Ergebnis komme, daß die Anträge abgelehnt werden müssen.