Februar 2017

170205

ENERGIE-CHRONIK


Bundesrat mahnt Strategie zur Stromspeicherung an

Der Bundesrat möchte Entwicklung und Ausbau der Stromspeicherung vorantreiben. Am 10. Februar verabschiedete er eine entsprechende Entschließung, die an die Bundesregierung adressiert ist. Der von Nordrhein-Westfalen eingebrachte Antrag unterstreicht, daß es nicht nur um die Pumpspeicherkraftwerke gehe, sondern auch andere Techniken der Energieumwandlung entwickelt und gefördert werden müssen. Die Ländervertretung erinnert dabei an ihre Stellungnahme zum Strommarktgesetz, mit der sie bereits im Dezember 2015 den dringenden Handlungsbedarf bei der Entwicklung von Speichern angemahnt hat (151212).

Es geht auch um Technologieführerschaft

Die Bundesregierung müsse eine Speicherstrategie entwickeln, die neben der langfristigen Planung von großen Speichern auch den Ausbau von kleinen dezentralen Speichern umfasse, der sich schneller realisieren lasse. Da diese Planungen eine lange Vorlaufzeit hätten, müßten sie rechtzeitig angegangen werden. Erforderlich sei zudem ein Konzept, um die verschiedenen Speichertechnologien kosteneffizient auf den Markt zu bringen. Der Ausbau der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für Stromspeicher sei auch ein wichtiger Faktor, um die Technologieführerschaft Deutschlands sicherzustellen.

Alle Speicher müßten von Netzentgelten befreit werden

In seiner Stellungnahme zum Strommarktgesetz hatte der Bundesrat vor allem auf die desolate Lage der Pumpspeicherkraftwerke aufmerksam gemacht. Er hatte die Befreiung sämtlicher Speicher von den Netzentgelten verlangt sowie deren vorrangige Heranziehung bei "Redispatch"-Maßnahmen und der Beschaffung von Regelenergie. Wörtlich hieß es unter anderem:

"Der Bundesrat sieht mit Sorge, daß sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Betrieb von Energiespeichern und hier insbesondere Pumpspeicherkraftwerken kontinuierlich verschlechtert haben. Aus wirtschaftlichen Gründen werden de facto heute keine neuen Pumpspeicherkraftwerke mehr realisiert. Fortgeschrittene Projektierungen wurden in den letzten Monaten eingestellt, und bei bestehenden Anlagen ist die Wirtschaftlichkeit des Betriebs ernsthaft gefährdet. Im Hinblick auf die wachsende Bedeutung flexibler Strombereitstellungskapazitäten und Stromabnahmekapazitäten erwartet er daher von der Bundesregierung, die geltenden Regelungen für die Errichtung und den Betrieb von Energiespeichern zu überprüfen und mögliche Hemmnisse für deren Errichtung und Betrieb zu beseitigen."

Im liberalisierten Markt gelten Pumpspeicherkraftwerke als "Letztverbraucher"

Sämtliche Pumpspeicherkraftwerke wurden einst von den integrierten Stromversorgern zur Bereitstellung von Regelenergie errichtet. Sie wären auch heute in idealer Weise geeignet, die fluktuierende Stromerzeugung von Windkraft- und Solaranlagen abzupuffern, deren Anteil an der Gesamterzeugung mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien immer größer wird. Im liberalisierten Markt müssen sie jedoch aus Gründen der Rentabilität so betrieben werden, daß sie sich an den Schwankungen der Strompreise orientieren, um durch vorübergehende Speicherung und erneute Abgabe des Stroms eine positive Preisdifferenz zu erwirtschaften. Zudem wurden sie in der neoliberalen Optik zu "Letztverbrauchern". Sie müssen deshalb für den Bezug des Pumpstroms ebenso Netzentgelt bezahlen wie der Verbraucher, der anschließend den mit Speicherwasser erzeugten Strom wieder abnimmt.

Vattenfall bot die ostdeutschen Anlagen zum Schnäppchenpreis an

So erklärt es sich auch, daß der Vattenfall-Konzern, der in Deutschland über die größten Pumpspeicherkapazitäten verfügt, insgesamt sieben solcher Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 2674 MW zum Verkauf anbot, als er 2015 seine Braunkohlekraftwerke loszuwerden versuchte (150902). Der Erwerber hätte sie als Dreingabe zu den Braunkohlekraftwerken zum Schnäppchenpreis haben können. Der tschechische Erwerber EPH machte von diesem Angebot aber keinen Gebrauch, sondern übernahm nur die Braunkohlekraftwerke, die er sowieso geschenkt bekam (160401).

Die sinnvollste Lösung wäre ein schwerer Verstoß gegen die EU-Marktregeln

Am sinnvollsten wäre es, wenn Vattenfall die ostdeutschen Pumpspeicherkraftwerke dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz verkaufen würde. Schließlich haben sie auch einst dessen Vorgängerin VEAG gehört, die nach der "Wende" das Verbundnetz der DDR übernahm. Das wäre aber ein schwerer Verstoß gegen die von der EU-Kommission erlassenen Marktregeln. Diese Regeln verlangen kategorisch eine strikte Trennung des Netzbetriebs von jeder Art der Stromerzeugung – und zwar einschließlich der Regelenergie, ohne die sich ein Netz überhaupt nicht betreiben läßt. Die Übertragungsnetzbetreiber müssen sich deshalb die benötigte Regelenergie in einem höchst komplizierten Verfahren am Markt beschaffen, während die für diesen Zweck errichteten und vorzüglich geeigneten Pumpspeicherkraftwerke am selben Markt vor die Hunde gehen.

Die sachverständigen Ausschüsse des Bundesrats haben sich immerhin getraut, diesen Irrsinn in Frage zu stellen: Die erste Fassung der von ihnen erarbeiteten Stellungnahme zum Strommarktgesetz enthielt noch ausdrücklich die Forderung, daß "Pumpspeicherkraftwerke und andere geeignete Energiespeicher als systemrelevante Netzsicherungsanlagen auch im Eigentum von Netzbetreibern betrieben werden können". Diese Ketzerei entfiel dann allerdings in der geglätteten Fassung, die mit dem Segen des Plenums zwei Wochen später der Bundesregierung übermittelt wurde (151212).

 

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