Dezember 2015

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ENERGIE-CHRONIK


 


Die Liberalisierung des Strommarktes bedeutete eine schwere Gefährdung des damals erreichten Stands der Kraft-Wärme-Kopplung von 66 TWh jährlich (ganz links), weshalb der Bundestag im Jahr 2000 mit dem "KWK-Vorschaltgesetz" eine Soforthilfe beschloß (000301). Die folgenden Novellierungen dieses Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (020101, 050702, 080302, 120505) sorgten dann für die Stabilisierung und den weiteren Ausbau des Bestands, vor allem bei Anlagen der allgemeinen Versorgung sowie privaten Betreibern von Blockheizkraftwerken. Der Höchststand wurde 2013 mit jährlich 98 TWh erreicht. 2014 ging die KWK-Stromerzeugung aber auf knapp 95 TWh zurück, was ausschließlich auf die mangelnde Rentabilität von Anlagen der allgemeinen Versorgung zurückzuführen war.

Auch 2015 hielt der Abwärtstrend an: Wie die Bundesregierung im August auf Anfrage der Grünen mitteilte, wurden zwischen dem 1. Januar 2014 und dem 30. Juni 2015 elf große KWK-Kraftwerksblöcke mit einer Gesamtleistung von 3.330 MW stillgelegt. Vier weitere Stillegungs-Kandidaten mit 1.022 MW – es handelte sich um die Blöcke 3 und 4 des E.ON-Ölheizkraftwerks Ingolstadt (140408) sowie die Blöcke 5 und 6 des EnBW-Steinkohleheizkraftwerks Heilbronn – galten als systemrelevant und mußten deshalb auf Anweisung der Bundesnetzagentur als Reservekraftwerke weiter bereitgehalten werden.

Neues Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz erhöht die Kosten, senkt aber das Ausbauziel

Am 3. Dezember verabschiedete der Bundestag das neue Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG 2016). Am 18. Dezember stimmte auch der Bundesrat in einem beschleunigten Verfahren ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses zu, damit es zum Beginn des neuen Jahres in Kraft treten konnte. In einer ergänzenden Entschließung kritisierte die Ländervertretung jedoch, daß der Bundestag wichtige Punkte ihrer Stellungnahme aus dem ersten Durchgang nur unzureichend berücksichtigt habe. Insbesondere bleibe die mit dem Gesetz angestrebte Nettostromerzeugung aus KWK-Anlagen deutlich hinter der bisher geltenden Fassung zurück.

Zuerst sollten es 25 Prozent der "thermischen" bzw. der "regelbaren" Netto-Stromerzeugung sein


Mit unschöner Regelmäßigkeit führt die Novellierung von Gesetzen zu stark erhöhtem Umfang, mehr Bürokratieaufwand und mangelnder Transparenz. Zum Beispiel hat das ab 31. Dezember 2015 geltende KWKG gegenüber der ersten Fassung aus dem Jahr 2000 fünfmal soviel Paragraphen und einen zwölfmal größeren Textumfang.

In der Tat führt die Neufassung des Gesetzes zwar zu einem Anstieg der Kosten, die von den Stromverbrauchern im Rahmen der KWKG-Umlage zu tragen sind. Das bisherige Ziel, den Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung bis 2020 auf 25 Prozent der Nettostromerzeugung zu steigern, wird jedoch aufgegeben. Stattdessen war zunächst davon die Rede, diesen 25-Prozent-Anteil nur noch auf die "thermische" Stromerzeugung zu beziehen (150301). Unter diesem Begriff wird üblicherweise die Stromerzeugung in Wärmekraftwerken mit den fossilen Energien Kohle, Gas und Öl verstanden. Allerdings werden auch die erneuerbaren Energiequellen Biomasse, Müll und Geothermie "thermisch" verstromt. Vermutlich war diese begriffliche Unschärfe der Grund, weshalb der Gesetzentwurf, den die Bundesregierung im Oktober vorlegte, von 25 Prozent an der "regelbaren Nettostromerzeugung" bis zum Jahr 2020 sprach. Damit wurde die Bezugsmenge wieder erweitert, da von der gesamten Nettostromerzeugung nur die erneuerbaren Stromquellen mit fluktuierender Einspeisung (Windkraft, Photovoltaik) abgezogen worden wären.

Das jetzige Ausbauziel sind 110 "Terrawattstunden"

Die am 2. Dezember vorgelegte Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie nahm dann aber noch eine dritte Korrektur vor: In § 1 des Gesetzes, das der Bundestag am folgenden Tag verabschiedete, heißt es jetzt: "Das Gesetz dient der Erhöhung der Nettostromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf 110 Terrawattstunden bis zum Jahr 2020 sowie auf 120 Terrawattstunden bis zum Jahr 2025 im Interesse der Energieeinsparung sowie des Umwelt- und Klimaschutzes." (Die eigentümliche Schreibweise der Maßeinheit Terawatt gelangte sogar bis ins Bundesgesetzblatt, in dem das neue KWKG am 30. Dezember verkündet wurde.)

Die Opposition kann besser rechnen als die Regierung

In der Bundestagsdebatte vom 3. Dezember erkannten die Oppositionsparteien darin eine Absenkung des bisherigen Ausbauziels. Für die Linke errechnete die Abgeordnete Eva Bulling-Schröter einen KWK-Anteil von nur noch 19,6 Prozent anstelle der bisherigen Zielmarke von 25 Prozent bis 2020. Die Grünen-Abgeordnete Julia Verlinden stellte fest, daß mit dieser Vorgabe auch bis 2025 nur ein KWK-Anteil von 20 Prozent erreicht werde. Der SPD-Abgeordnete und Berichterstatter des Wirtschaftsausschusses, Florian Post, behauptete dagegen per Zwischenruf, daß es 31 Prozent seien. In diesem Fall müßte allerdings der Nettostromverbrauch, der 2014 bei 511,5 TWh lag, bis 2020 auf 355 TWh sinken, anstatt auf etwa 580 TWh zu steigen, wie eine übliche Schätzung lautet. So etwas schafft kein Energiesparen und nicht einmal eine schwere Wirtschaftskrise, denn selbst in der ausgeprägten Rezession der Jahre 2008/2009 war der Stromverbrauch nur um einen Bruchteil dieser Differenz zurückgegangen. Das Gesetz wurde mit den Stimmen von Union und SPD angenommen, während die Grünen dagegen stimmten und die Linke sich enthielt.

Kohle-Anlagen werden nicht mehr gefördert – der Favorit ist Gas

Einhelligen Beifall fand dagegen bei der Opposition, daß künftig neue oder modernisierte KWK-Anlagen nur noch dann gefördert werden, wenn sie keine Kohle als Brennstoff verwenden. Dies ergibt sich indirekt aus § 6, der die Förderung unter anderem davon abhängig macht, daß die Anlagen "Strom auf Basis von Abfall, Abwärme, Biomasse, gasförmigen oder flüssigen Brennstoffen gewinnen". Außerdem erhalten Gas-KWK-Anlagen, die Kohle-KWK-Anlagen ersetzen, nach § 7 zusätzlich einen Bonus. Sämtliche Zuschläge für KWK-Strom werden jedoch bei negativen Strompreisen ausgesetzt, um Anreize für einen nicht bedarfsgerechten Betrieb der KWK-Anlagen zu vermeiden.

Förderzeitraum bis 2022 verlängert – Förderdauer für Kleinanlagen auf 60.000 Stunden erhöht

In Abänderung des Regierungsentwurfs wurde die Förderung neuer Anlagen in den §§ 6, 18 und 22 um zwei Jahre bis Ende 2022 verlängert. Damit soll den Anlagenbetreibern ein höheres Maß an Planungssicherheit gegeben werden. Außerdem wurde in § 8 die zunächst vorgesehene Förderdauer von 45.000 Stunden für Kleinanlagen und Brennstoffzellen mit einer Leistung unter 50 Kilowatt auf 60.000 Stunden erhöht.

Ab 100 Kilowatt wird Direktvermarktung verpflichtend und Eigenverbrauch nicht mehr unterstützt

Nach § 4 müssen die Betreiber von KWK-Anlagen den erzeugten Strom künftig direkt vermarkten oder selber verbrauchen. Ausgenommen sind nur kleinere Anlagen mit einer Leistung unter 100 Kilowatt. Hier kann weiterhin vom zuständigen Netzbetreiber die Abnahme verlangt werden, der den Strom dann – zusätzlich zum KWK-Bonus – mindestens zum "üblichen Preis" vergüten muß. Dies ist der durchschnittliche Preis für Grundlaststrom an der Strombörse EEX im jeweils vorangegangenen Quartal.

Für selbst verbrauchten KWK-Strom wird grundsätzlich keine Förderung gewährt. Ausgenommen sind kleinere Anlagen mit einer Leistung bis 100 Kilowatt sowie Anlagen in der energieintensiven Industrie, weil in diesen Bereichen sonst keine Wirtschaftlichkeit der Projekte gegeben wäre.

Jährliche Gesamtkosten dürfen jetzt mit 1,5 Milliarden Euro doppelt so hoch sein

Nach Schätzung der Bundesregierung bewirkt das neue Gesetz Mehrkosten von bis zu 850 Millionen Euro pro Jahr. Die genaue Summe hängt naturgemäß davon ab, wieweit es tatsächlich Investitionsanreize ausübt. Die bisherige Begrenzung der jährlichen Gesamtkosten auf 750 Millionen Euro wird in § 29 auf 1,5 Milliarden Euro verdoppelt. Davon dürfen bis zu 10 Millionen Euro an KKW-Betreiber "im europäischen Ausland" gezahlt werden dürfen, sofern "der physikalische Import des KWK-Stroms aus hocheffizienten KWK-Anlagen nachgewiesen werden kann".

Für nicht privilegierte Endkunden steigt dadurch die maximal zulässige Belastung von derzeit rund 0,25 Cent auf bis zu ca. 0,53 Cent je Kilowattstunde. Da der bisherige Kostendeckel nur mit 500 Millionen Euro ausgeschöpft wurde, kann sich die reale Mehrbelastung durch die KWK-Umlage allerdings sogar um das Dreifache erhöhen.

Um die kleineren Verbraucher nicht allzusehr zu schröpfen, wird in § 26 die Schwelle für privilegierte Stromverbraucher von bisher 100.000 Kilowattstunden auf 1 Gigawattstunde angehoben. Für den darüber hinausgehenden Verbrauch wird die KWK-Umlage auf 0,04 Cent/kWh ermäßigt (bisher 0,05 Cent/kWh). Für das Produzierende Gewerbe – also den Regelfall – verringert sie sich auf 0,03 Cent/kWh (bisher 0,025 Cent/kWh).

Aufgrund der Überprüfung des Gesetzes durch die EU-Kommission unter Beachtung der EU-Beihilfe-Leitlinie gelten wesentliche Regelungen des KWKG 2016 vorerst unter Vorbehalt.

 

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