Juni 2015

150611

ENERGIE-CHRONIK


 

Vom Absturz des Jahres 2011, der zum guten Teil mit der Insolvenz des dubiosen Stromanbieters Teldafax zusammenhing, hat sich Verivox zumindest bis 2013 nicht richtig erholt. Auch die Entlassung von fast einem Viertel der Beschäftigten bewirkte 2012 nur eine vorübergehende Verbesserung des Jahresergebnisses.

Pro Sieben kauft den Tarifvergleicher Verivox

Der Fernsehkonzern Pro Sieben Sat 1 kauft den Tarifvergleicher Verivox, der auf Provisionsbasis Stromlieferverträge vermittelt und noch etliche andere Dienstleistungen anbietet. Wie die Konzernholding am 26. Juni mitteilte, übernimmt sie über ihre Tochter 7commerce eine Mehrheitsbeteiligung von 80 Prozent. Der Kaufpreis beträgt rund 170 Millionen Euro. Hinzu kommt eine variable Komponente von maximal 40 Millionen Euro, deren Höhe vom operativen Ergebnis abhängt, das Verivox in diesem Jahr erwirtschaftet. Die bisherigen Eigentümer sind weiterhin mit 20 Prozent an der Gesellschaft beteiligt. Dabei handelt es sich um die britische Beteiligungsgesellschaft Oakland Capital, die bisher 51 Prozent der Verivox-Anteile hielt, und die Minderheitsgesellschafter Andrew Goodwin und Alexander Preston, die das in Heidelberg ansässige Unternehmen einst gegründet haben (zur Geschichte von Verivox siehe 120309).

Den teuren Werbe-Spot vor der "Tagesschau" wird Verivox sich künftig sparen können


Die Verivox-Zentrale in Heidelberg

Der Fernsehkonzern hat sich schon etliche andere Internetportale zugelegt, die ihre Gewinne mit provisionsträchtigen Vermittlungen oder reiner Werbung erwirtschaften. Dazu gehören etwa der Leihwagenvergleich billiger-mietwagen.de, die Urlaubsportale weg.de und ferien.de oder das Wetterportal wetter.com. Inzwischen dürfte er auf diese Weise ein Fünftel seines Gesamtumsatzes von fast drei Milliarden Euro bestreiten. Der Erwerb solcher Portale ist für private Sender besonders verlockend, da sie – im Unterschied zu den öffentlich-rechtlichen Anstalten – keinen publizistischen Auftrag erfüllen, sondern ihr Programm lediglich zur optimalen Verbreitung von bezahlter Werbung gestalten. Es ergibt sich somit ein Synergieeffekt, wenn sie jene Sendezeit, für die sie keine zahlenden Kunden finden, mit eigener Werbung füllen können. Die Internetportale haben ihrerseits Werbung nötig, um beim Publikum überhaupt bekannt zu werden bzw. präsent zu bleiben. Deshalb hat sogar der Marktführer Verivox in der Vergangenheit häufig im ARD-Fernsehen geworben, wo ein 20-Sekunden-Spot vor der "Tagesschau" im Jahresdurchschnitt etwa 35.000 Euro kostet (die Preise variieren nach Jahreszeit). Diese Kosten wird sich Verivox künftig sparen können. Und da die Vergleichsportale ebenfalls Werbeträger sind, ergibt sich gleich ein doppelter Vorteil.

Zur Wirkung solcher Fernsehwerbung schreibt Verivox im Lagebericht für das Jahr 2013:

"Die im Vorjahr gestarteten TV-Kampagnen wurden in 2013 erfolgreich fortgesetzt und führten in 2013 zu einer weiteren Steigerung des Bekanntheitsgrads der Marke Verivox. Dabei stieg die gestützte Bekanntheit der Marke im November 2013 auf 51% gegenüber 32% im November 2012. Die ungestützte Bekanntheit erhöhte sich ebenfalls stark auf 29% gegenüber 17% im Vorjahr. Das Medium TV-Werbung hat sich somit erneut zur Förderung der Markenbekanntheit bewährt und wird im neuen Jahr fortgeführt."

Druck der Konkurrenten ist inzwischen stärker geworden

Verivox wurde von Oakland Capital und den beiden Minderheitsgesellschaftern bereits 2011 zum Verkauf angeboten. Der jetzt erzielte Preis ist deutlich geringer als die 400 Millionen Euro, die damals für alle Anteile verlangt worden sein sollen. Das liegt daran, daß das Jahresergebnis des Unternehmens den 2010 erreichten Höchststand von 17,5 Millionen Euro nie mehr erreicht hat (siehe Grafik). Der Gewinneinbruch dürfte vor allem darauf zurückzuführen gewesen sein, daß sich der Tarifvergleicher zu spät von den dubiosen Praktiken der Stromanbieter Teldafax (110909) und Flexstrom (111211) distanziert hat, die in seinen Vergleichen an vorderster Stelle auftauchten, obwohl die Angebote keineswegs so günstig waren wie sie auf den ersten Blick erschienen. Hinzu kam die wachsende Konkurrenz durch andere wie den Vergleicher "check24", der im Februar 2013 bei der Stiftung Warentest mit 3,0 den zweiten Platz belegte. Es kennzeichnete den Zustand der Branche, daß Verivox zwar mit 2,6 an der Spitze lag, aber kein einziger von den zehn untersuchten Tarifvergleichern auf die Note "gut" kam (130205).

Anfangs waren die Konkurrenten deutlich hinter der technischen Perfektion von Verivox zurückgeblieben, die auch von der Stiftung Warentest anerkannt und zunächst als einziges Kriterium bewertet wurde (080815). In punkto Seriosität waren ihre Defizite sogar eher noch größer (101215). Im Extremfall handelte es sich um reine Scheinvergleiche, die auf den Kundenfang für bestimmte Anbieter programmiert waren. Die Vielfalt der Vergleichsportale hat übrigens schon immer getäuscht, denn oft wird derselbe Tarifrechner mit unterschiedlichem Design und unter verschiedenen Namen mehrfach vermarktet. Schließlich ist der Aufwand für die Technik und die ständige Aktualisierung der Daten ganz erheblich. Oder es wird ein Tarifrechner vom anderen übernommen, wie dies vor einem Jahr mit dem Branchendritten TopTarif geschah, der dem Holtzbrinck-Konzern gehörte und seit der Einverleibung durch Verivox nur noch als Marke fortgeführt wird. Die Versicherungsvergleicher transparo und aspect-online sind ebenfalls Marken von Verivox.

Kartellamt sah keinen Grund zur Beanstandung

Im Januar dieses Jahres äußerte das ARD-Wirtschaftsmagazin "Plusminus" den Verdacht, daß Verivox nicht nur für die Vermittlung von Lieferverträgen Provisionen kassiert, sondern auch Stromanbieter auf risikolose Möglichkeiten zu Preiserhöhungen hinweist, um von den erzielten Mehrerlösen zu profitieren. Das Bundeskartellamt prüfe aufgrund der Recherchen des Fernsehmagazins, ob es Ermittlungen einleite (150109). Am 28. Mai veröffentlichte Verivox dazu eine Mitteilung, wonach das Kartellamt das beanstandete Geschäftsmodell als unbedenklich eingestuft hat. Die Vorwürfe seien somit zu Unrecht erhoben worden.

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