Oktober 2014

141009

ENERGIE-CHRONIK


Exxon-Kampagne für Fracking bekommt Rückenwind durch "Panorama"

Die Auseinandersetzung um das "Fracking" zur Erschließung von Erdgasvorkommen hat sich zugespitzt. Die Bundesregierung sieht in dieser Technologie laut Koalitionsvertrag ein "erhebliches Risikopotential" und will den Einsatz "umwelttoxischer Substanzen" nicht erlauben (131101). Ein entsprechender Gesetzentwurf sollte bereits Ende September in die Ressortabstimmung gehen. Inzwischen regt sich aber bei Unionspolitikern Widerstand gegen die restriktive Fracking-Regelung, wie sie im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Parallel dazu startete der US-Konzern Exxon eine Kampagne, um Bevölkerung und Politik von der angeblichen Harmlosigkeit des Fracking zu überzeugen. Schützenhilfe erhielt er dabei vom ARD-Fernsehmagazin "Panorama", das vom NDR produziert wird. Die Schwestersendung "Monitor" vom WDR äußerte dagegen Anfang Oktober Zweifel an der Seriosität der "Panorama"-Recherche. Das Umweltbundesamt bezeichnete die Darstellung des NDR-Magazins ebenfalls als "irreführend".

Drei Exxon-Techniker trinken für "Panorama" von dem neu entwickelten Fracking-Gemisch, das angeblich giftfrei und trotzdem wirkungsvoll ist.

Das ARD-Fernsehmagazin Panorama hatte am 9. September sein Publikum mit der Behauptung verblüfft, daß die Besorgnisse wegen Fracking unbegründet seien und diese Technik in allen ihren Varianten durchaus beherrschbar sei. Dies ergebe sich aus einem vom Umweltbundesamt (UBA) angeforderten Gutachten, das am 30. Juli veröffentlicht wurde. Anstatt Entwarnung zu geben, habe die Behörde jedoch ihre grundsätzlichen Bedenken gegen Fracking wiederholt.

Tatsächlich hatte die UBA-Präsidentin Maria Krautzberger bei der öffentlichen Vorstellung des Papiers den bisherigen Standpunkt ihrer Behörde und der Bundesregierung bekräftigt: "Fracking ist und bleibt eine Risikotechnologie – und braucht daher enge Leitplanken zum Schutz von Umwelt und Gesundheit. Solange sich wesentliche Risiken dieser Technologie noch nicht sicher vorhersagen und damit beherrschen lassen, sollte es in Deutschland kein Fracking zur Förderung von Schiefer- und Kohleflözgas geben."

Als Kronzeugen dafür, wie sehr das Umweltbundesamt damit den tatsächlichen Befund verschleiere und verfälsche, präsentierte Panorama den Geschäftsführer Uwe Dannwolf von der Firma RiskCom GmbH, unter deren Leitung die Studie erstellt worden war. Vor der Kamera erklärte Dannwolf mit Blick auf die zitierte Verlautbarung: "Solche Worte stehen da nicht drin und solche Schlußfolgerungen, daß wir sagen, die Technologie könnten wir überhaupt nicht beherrschen." Er halte Fracking durchaus für beherrschbar.

Risikobewertung des Umweltbundesamtes stützt sich auf das erste Teilgutachten aus dem Jahr 2012


Am 30. September demonstrierten Fracking-Gegner in Berlin vor dem Bundesumweltministerium und übergaben dabei der Ministerin Barbara Hendricks (SPD) rund 660.000 Unterschriften für ein Verbot dieser Erdgasfördermethode.
Foto: Ruben Neugebauer / Campact

Allerdings wird man auch Dannwolfs Worte und Schlußfolgerungen gegenüber Panorama in der erwähnten Studie nicht finden können. Und zwar schon deshalb, weil deren Auftrag nicht die Risikobewertung, sondern die Untersuchung diverser Teilaspekte war ("Grundwassermonitoringkonzept, Frackingchemikalienkataster, Entsorgung von Flowback, Forschungsstand zur Emissions- und Klimabilanz, induzierte Seismizität, Naturhaushalt, Landschaftsbild und biologische Vielfalt"). Die Risikobewertung und daraus folgende Handlungsempfehlungen hatte das Umweltbundesamt bereits in einer vorangegangenen Studie untersuchen lassen, die im September 2012 veröffentlicht wurde. Die Bewertung von Fracking als "Risikotechnologie", die das UBA jetzt anläßlich der Veröffentlichung der zweiten Teilstudie wiederholte, ist deshalb nicht etwa das Fazit dieser Untersuchung, sondern stützt sich im wesentlichen auf die erste Teilstudie.

Das Fernsehmagazin Panorama entwarf somit ein ziemlich schiefes Bild, als es diese zweite Teilstudie – deren Inhalt eine sehr dröge Kost darstellt, aber für jeden einsehbar ist (siehe Links) – zu einer Entwarnung vor den Gefahren des Fracking stilisierte, die das Umweltbundesamt geheimzuhalten bzw. zu verfälschen versuche. Daß das Fracking in allen Varianten beherrschbar sei, steht sowieso nicht in dem Papier, sondern ist die persönliche Ansicht des Hydrogeologen Dannwolf, dessen Firma RiskCom vielleicht doch nicht so unabhängig ist, wie dies dem Umweltbundesamt bei der Auftragsvergabe erschien.

Das ARD-Schwestermagazin Monitor (2.10.) bezweifelte jedenfalls die Unabhängigkeit Dannwolfs, nachdem es sich die Liste seiner früheren Arbeitgeber angesehen hatte: Unter anderem war er Geschäftsführer der AMEC Earth & Environmental GmbH, einer Tochter des AMEC-Konzerns, der im Anlagenbau für die Erdöl- und Gasindustrie tätig ist. Dannwolf versicherte demgegenüber, diese AMEC-Tochter sei ein "unabhängiges Umweltbüro" gewesen. Eine "Darstellung falscher Tatsachen" sei auch der Vorwurf, diese Tätigkeit auf der Homepage der Firma RiskCom verschwiegen zu haben: "Wer sich unsere Firmenwebseite ansieht, wird feststellen, daß keiner der RiskCom-Mitarbeiter und so auch nicht Dannwolf seine ehemaligen Arbeitgeber nennt."

Unionspolitiker stellen Koalitionsvereinbarung zu Fracking in Frage

Trotz ihrer Fragwürdigkeit entfaltete die Panorama-Sendung eine Wirkung, die man sozusagen als Fracking der bisher ziemlich geschlossenen Ablehnungsfront gegenüber dieser Risikotechnologie bezeichnen könnte. Auch innerhalb der Großen Koalition zeigten sich Risse. In der Bundestagssitzung vom 10. September berief sich der CDU-Abgeordnete Michael Fuchs auf diese Sendung, um – anders als im Regierungsentwurf vorgesehen – ein ungebremstes Fracking zu fordern:

"Man muß sich ein Stück weit wundern, wenn selbst Panorama – eine Fernsehsendung, die man nicht gerade als katholisch und CDU-nah bezeichnen kann – uns mittlerweile mitteilt, daß das mit dem Fracking ja wohl ein Irrtum von Panorama und auch aus dem Hause UBA gewesen sei, und daß Frau Krautzberger anscheinend das Gutachten, das für das UBA erstellt wurde, nicht verstanden hat. Das mag an mangelnder Intellektualität oder woran auch immer liegen – jedenfalls hat sie es völlig falsch ausgelegt und dann auch noch die Bundesumweltministerin falsch beeinflußt. Ich empfehle jedem, sich einmal diese Sendung anzusehen, aus der deutlich hervorgeht, daß Fracking keine Gefahr für Deutschland darstellt und wir Fracking unproblematisch betreiben können. Das halte ich für notwendig."

Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) wollte den geplanten Gesetzentwurf nun ebenfalls aufweichen. Wie "Spiegel online" (9.10.) berichtete, verlangte er von der Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Fracking-Bohrungen auch oberhalb von 3000 Metern zuzulassen. Ferner wolle er die vorgesehene Überprüfung des Gesetzes im Jahre 2021 durch eine dann auslaufende Befristung ersetzen. Mit dem Einspruch habe er die vorgesehene Ressortabstimmung gestoppt.

Exxon-Propaganda verspricht "ungiftiges" Fracking

In die von "Panorama" aufgebrochene Ablehnungsfront der öffentlichen Meinung stieß Ende September die deutsche Exxon-Tochter mit einer massiven Propagandakampagne. Unter der Überschrift "Lassen Sie uns über Fracking reden" veröffentlichte sie in verschiedenen Print- und Onlinemedien einen Offenen Brief, in dem ihr Vorstandsvorsitzender Gernot Kalkoffen ein angeblich "giftfreies" Fracking in Aussicht stellte, das sowohl zu einer gesicherten Gasversorgung als auch zur Energiewende beitragen werde:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Deutschland hat sich für die Energiewende entschieden. Dafür braucht unser Land verlässlich und ausreichend Erdgas. Die gute Nachricht ist: Deutschland hat noch für viele Jahrzehnte eigenes Erdgas – insbesondere das heimische Schiefergas.

Wir von ExxonMobil wollen die Energiewende unterstützen und scheuen dabei keine unkonventionellen Wege. Wir möchten in Deutschland für Schiefergas mit höchsten Umweltstandards, modernster Technologie und unter Beteiligung der kritischen Öffentlichkeit neue Maßstäbe setzen – mit Fracking, aber giftfrei.

Es ist uns gelungen, eine Kernforderung aus Öffentlichkeit und Politik zu erfüllen: Es werden nur noch zwei ungiftige und zudem biologisch leicht abbaubare Zusätze zum Einsatz kommen. Schiefergas hat darüber hinaus weitere Vorteile: Der Flächenbedarf ist gering, was gerade in einem dichtbesiedelten Land von zentraler Bedeutung ist. Und schließlich wird kein salziges Wasser aus dem Untergrund mitgefördert, das entsorgt werden muss.

Wir laden Sie ein, uns dabei kritisch zu begleiten. Sprechen Sie uns gerne an.

Die von Exxon beauftragten PR-Strategen ließen sich noch allerlei anderes einfallen: Beispielsweise tranken drei Exxon-Techniker für "Panorama" von dem erwähnten Fracking-Gemisch, das angeblich seinen Zweck erfüllt, obwohl es ungiftig ist. In einem anderen Video stellte sich Deutschland-Chef Gernot Kalkoffen den Fragen einer offenbar skeptischen Reporterin. Unter anderem wollte sie von ihm wissen, was er denn sagen würde, wenn in der Nachbarschaft seines eigenen Hauses Fracking betrieben würde. Kalkoffen versicherte, daß er nicht einmal Probleme damit haben würde, wenn das Erdgas aus seinem eigenen Garten käme...

Allerdings wurde das ungiftige Fracking-Gemisch, das die Exxon-Techniker vor der Kamera verkosteten, noch nie in der Praxis erprobt, wie ein Exxon-Sprecher gegenüber Monitor zugeben mußte ("aber wir wissen, daß es da funktionieren würde", fügte er hinzu). Und die kritische Reporterin, die dem Exxon-Chef so hautnah zusetzte, stammte natürlich aus dem Drehbuch der PR-Strategen.

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