Juli 2014

140703

ENERGIE-CHRONIK


Zahlreiche Mängel am neuen EEG machten sofortige Nachbesserung erforderlich

Das neugefaßte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das der Bundestag am 27. Juni verabschiedete (140601), wies derart viele Mängel auf, daß eine sofortige Nachbesserung erforderlich wurde, bevor das Gesetz am 11. Juli auch den Bundesrat passierte und zum 1. August in Kraft treten konnte. Größtenteils handelte es sich um redaktionelle Fehler. Vor allem waren durch die Umnummerierung der Paragraphen in den aufeinanderfolgenden Gesetzentwürfen etliche falsche Verweise entstanden. Aber auch inhaltlich kam es zu falschen Formulierungen, die der Intention des Gesetzgebers widersprachen und gravierende Folgen gehabt hätten. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD beschlossen deshalb eilends einen Änderungsantrag, der dem gerade anstehenden "Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr" als neuer Artikel 4 angehängt und in diesem sachfremden Kontext am 4. Juli verabschiedet wurde.


In der Endfassung besteht das neue EEG jetzt aus 104 Paragraphen mit rund 233.000 Buchstaben. – Kein Wunder, daß in diesem Paragraphendschungel sogar die Gesetzesmacher selber den Überblick verloren haben...

Tausend älteren Biogas-Anlagen hätte die Insolvenz gedroht

Zum Beispiel enthielt § 9 Abs. 5 des neuen EEG in der ursprünglichen Fassung eine rückwirkende Verschärfung für die Gärrestlager von Biogasanlagen. Die Neuformulierung macht klar, daß die Anforderung einer 150-tägigen Verweilzeit nur für "neue Systeme" gilt. Die meisten inhaltlichen Veränderungen gibt es in § 100: Hier war unter anderem eine Passage im Gesetz so formuliert, daß auch bei bestehenden Biogasanlagen, die mehrere einzelne Blockheizkraftwerke versorgen, die Leistungen der einzelnen BHKW addiert worden wären, anstatt sie weiterhin separat zu vergüten. Dies hätte empfindliche Einbußen bei der Vergütung bewirkt. Nach Angaben aus Branchenkreisen wäre bei rund tausend Altanlagen die Kalkulationsgrundlage so erschüttert worden, daß den Betreibern die Insolvenz gedroht hätte. Ruinöse Einbußen hätte es ferner für rund sechzig in Bau befindliche Biomethaneinspeiseanlagen gegeben, wenn der Stichtag zur Anwendung des neuen Gesetzes nicht um ein halbes Jahr verlegt worden wäre.

Parlament billigte das Gesetz im Blindflug

Die handwerklichen Mängel kommen nicht von ungefähr. Sie haben damit zu tun, daß das neue EEG in Windeseile noch vor der Sommerpause des Parlaments beschlossen wurde. Die Endfassung des Gesetzentwurfs, über die der Bundestag am 27. Juni abstimmte, lag erst am 26. Juni vor. Sie existierte auch nicht in einer konsolidierten Fassung, sondern in Form der Beschlußempfehlung des Wirtschaftsausschusses zum Regierungsentwurf. Durch die Erweiterung des Gesetzes um vier auf 104 Paragraphen veränderten sich ab § 24 alle bisherigen Verweise. Unter diesen Umständen verloren offenbar die Gesetzesmacher selber den Überblick. Das Parlament, das anschließend seinen Segen gab, tat dies sogar gewissermaßen im Blindflug. Wegen der Kürze der Zeit war es praktisch unmöglich, den kompletten Gesetzentwurf durchzuarbeiten. Ohnehin dürften nur wenige der Abgeordneten mit den Details der EEG-Gesetzgebung vertraut sein.

Opposition spricht von "peinlicher Reparaturnummer"

Die Notwendigkeit der nachträglichen Änderungen wurde auch von den Oppositionsparteien nicht bezweifelt, die ansonsten die Neufassung des EEG aus prinzipiellen Gründen abgelehnt haben. Linke und Grüne nutzten die Panne jedoch, um der Großen Koalition ihre schlampige Arbeitsweise vorzuhalten: Die Grünen monierten die Nichtanwesenheit von Vertretern des Wirtschaftsministeriums bei dieser "peinlichen Reparaturnummer", die vermeidbar gewesen wäre, wenn man sich etwas mehr Zeit genommen hätte. Die Linke wertete die Panne als Beleg dafür, daß das neue EEG "ein mit heißer Nadel gestricktes Provisorium ist". Die Koalition habe offenbar einfach die Formulierungshilfen aus dem Ministerium übernommen und sie "quasi im Guttenberg-Verfahren, nämlich per Copy-and-paste" durch das Parlament gewinkt.

Sogar die Lobby merkte nichts

Bemerkenswert ist, daß die unbeabsichtigten Verschlechterungen für Bestandsanlagen nicht einmal von der Lobby bemerkt wurde, die sonst mit Argusaugen alle Gesetzesänderungen verfolgt, die ihre Partikularinteressen berühren. Jedenfalls gab es bei den überwiegend negativen Stellungnahmen der Branchenverbände zur Verabschiedung des EEG keine diesbezügliche Kritik. Anscheinend ist die Ministerialbürokratie nachträglich selber auf die Fehler in ihrem Gesetzentwurf aufmerksam geworden.

Flut von Verordnungsermächtigungen macht das Gesetz noch unüberschaubarer

Bedenklich bleibt die Fülle von Verordnungsermächtigungen, deren Aufzählung in den §§ 88 bis 96 nicht weniger als 15 Prozent des Gesetzestextes beansprucht. Dadurch wird das neue EEG noch wesentlich komplizierter und unüberschaubarer, als es ohnehin schon ist. Außerdem können Verordnungsermächtigungen leicht mißbraucht werden, um klammheimlich Änderungen vorzunehmen, die eigentlich unzulässig sind, weil sie nicht der Präzisierung des Gesetzes dienen, sondern dieses substantiell verändern. Zum Beispiel kam auf diese Weise die "marktgerechte" Umgestaltung des EEG zustande, die den Verkauf des EEG-Stroms über die Börse vorschrieb und dadurch ab 2009 die EEG-Umlage explodieren ließ. Über eine unscheinbar wirkende Verordnungsermächtigung zur Neuregelung des "Ausgleichsmechanismus" wurde damals das alte Subventionsmodell zu jenem unnötig kostspieligen Gebilde verstümmelt, das heute selbst bei prinzipiellen Unterstützern der EEG-Förderung gelindes Grausen auslöst und auch durch die neuesten Korrekturen nicht schöner geworden ist (siehe Hintergrund vom Juli 2012).

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