März 2014

140313

ENERGIE-CHRONIK


Amprion nimmt erstes 380-kV-Erdkabel in Angriff

Der Übertragungsnetzbetreiber Amprion hat den Planfeststellungsbeschluss und damit die Baugenehmigung für das erste Pilotprojekt zur Verkabelung einer neuen 380-Kilovolt-Trasse erhalten. Die Verlegungsarbeiten sollen bis Juni beginnen. Es handelt sich um einen 3,4 Kilometer langen Abschnitt der neuen Höchstspannungsleitung zwischen Wesel (Niederrhein) und Dörpen-West (Emsland) auf dem Gebiet der Gemeinde Raesfeld im Kreis Borken. Die Trasse wird auf diesem Abschnitt unterirdisch geführt, wobei zwölf parallel verlaufende Drehstromkabel die zweisystemige Freileitung ersetzen. Die insgesamt 165 Kilometer lange Höchstspannungsleitung gehört zu den vier Pilotvorhaben, für die gemäß § 2 des 2009 in Kraft getretenen Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG) ausdrücklich auch die Verkabelung zugelassen ist, obwohl die dadurch entstehenden Kosten um ein Vielfaches höher sind als bei einer Freileitung. Mit den vier Pilotvorhaben soll die Praktikabilität von 380-kV-Verkabelungen getestet werden, denn weltweit gibt bisher nur wenig Erfahrungen mit dieser Technik.

Zwei weitere Kabel-Abschnitte baut TenneT


Bisher existiert in Deutschland auf der höchsten Spannungsebene nur eine einzige Verkabelung. Die im Jahr 2000 vollendete "380-kV-Diagonale" in Berlin ist insgesamt 38,4 Kilometer lang. Davon entfallen 10,7 Kilometer auf Freileitungen, 15,7 Kilometer auf wassergekühlte Ölkabel und 11,9 Kilometer auf Kunststoffkabel (VPE). In den beiden VPE-Abschnitten wurden die Erdkabel in Tunneln mit einer Länge von jeweils etwa sechs Kilometer verlegt, die zu Inspektionszwecken mit einer Hängebahn befahren werden können.
Foto: Bewag

Im Rahmen des bisher am weitesten gediehenen Pilotprojekts wird die Trasse an insgesamt drei Stellen unterirdisch geführt, weil sonst die für Freileitungen vorgeschriebenen Abstände zu Siedlungen oder Schutzzonen nicht eingehalten werden könnten. Die jetzt genehmigte Verkabelung befindet sich im Teilabschnitt von Wesel bis Meppen, auf dem Amprion eine bisherige 220-kV-Leitung ersetzt. Zwei weitere Verkabelungen mit einer Länge von jeweils rund drei Kilometern sind auf dem nördlichen Teilstück von Meppen bis Dörpen-West vorgesehen, das der Übertragungsnetzbetreiber TenneT baut. In der Liste der 24 EnLAG-Vorhaben wird das Gesamtprojekt unter Nr. 5 als "Leitung Diele - Niederrhein" aufgeführt. Inzwischen hat man aber den nördlichen Startpunkt zum Umspannwerk Dörpen-West verlegt.

Sogar 110-kV-Leitungen werden inzwischen grundsätzlich verkabelt

Die Erdverkabelung ist heute bei Nieder- und Mittelspannung Standard. Nach § 43h des Energiewirtschaftsgesetzes sind sogar Hochspannungsleitungen mit 110 kV als Erdkabel auszuführen, soweit die Mehrkosten gegenüber einer Freileitung den Faktor 2,75 nicht überschreiten. Diese Bestimmung wurde durch das 2011 beschlossene Gesetz zur Beschleunigung des Netzausbaues eingefügt, um die Akzeptanz neuer Hochspannungsleitungen bei der betroffenen Bevölkerung zu erhöhen und so auch die Zeit bis zur Inbetriebnahme zu verkürzen (110604).

Bisher gibt es nur in Berlin eine Höchstspannungs-Verkabelung

Auf der Höchstspannungsebene von 380 kV gibt es dagegen bisher in Deutschland nur eine einzige unterirdische Leitung. Es handelt sich um die sogenannte 380-kV-Diagonale in Berlin, die mit einer Länge von 38 Kilometern quer durch die Stadt gebaut wurde, um die Lastschwerpunkte des Verteilnetzes direkt an das Übertragungsnetz anzuschließen (001103). Wegen der vorhandenen Bebauung konnte diese Diagonale nur am Stadtrand und in Außenbezirken als Freileitung ausgeführt werden. Die beiden ältesten Abschnitte, die bis 1994 in Betrieb gingen, wurden deshalb größtenteils als Erdkabel mit einer Länge von jeweils etwa acht Kilometer verlegt, wobei das Kabel an vier Stellen zur Unterquerung von Wasserläufen und eines Parks in Tunneln verläuft. Die beiden anschließenden Abschnitte mit einer Gesamtlänge von zwölf Kilometern, die bis zum Jahr 2000 fertiggestellt wurden, bestehen jeweils durchgehend aus einem Tunnel, der nicht nur die Kabel aufnimmt, sondern sogar mit einer Einschienen-Hängebahn befahren werden kann.

380-kV-Kabel sind um ein Vielfaches teuerer und haben höhere Ausfallzeiten als Freileitungen

Das Berliner Beispiel zeigt, daß mitunter kein Weg darumherumführt, auch Höchstspannungsleitungen unterirdisch zu verlegen. Eine generelle Alternative zur Freileitung ist die Verkabelung in diesem Spannungsbereich aber nicht. Nach Angaben des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz kostet die Verkabelung einer zweisystemigen 380-kV-Leitung mindestens viermal soviel wie der Bau einer entsprechenden Freileitung. Dabei wird mit einer Lebensdauer von nur 20 bis 40 Jahren gerechnet, gegenüber 80 bis 100 Jahren bei der Freileitung. Bei Störungen ist die Suche nach der Ursache wesentlich schwieriger und die Ausfallzeit höher, weshalb die Verfügbarkeit, die bei einer Freileitung nahezu hundert Prozent beträgt, auf etwa 93 Prozent sinkt. Trotz der unterirdischen Verlegung bleibt die Trasse als Schneise in der Landschaft sichtbar, vor allem in bewaldeten Flächen. An den Stellen, wo die Freileitung jeweils endet oder wieder beginnt, ist die Errichtung größerer Gebäude erforderlich.

Links (intern)