Januar 2014

140109

ENERGIE-CHRONIK


Brüssel will auf verbindliche Ziele für Ausbau der Erneuerbaren verzichten

Die EU-Kommission hat am 22. Januar ihre Ziele für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 vorgestellt. In ihrer Mitteilung befürwortet sie ein "verbindliches, EU-weites Ziel für einen Anteil der erneuerbaren Energien von mindestens 27 Prozent bis zum Jahr 2030". Eine Aufteilung in nationale Ziele durch EU-Rechtsvorschriften ist jedoch ausdrücklich nicht vorgesehen. Die Kommission begründet dies damit, daß die Mitgliedstaaten über die "notwendige Flexibilität" verfügen müßten, um ihre Energiesysteme "den nationalen Präferenzen und Gegebenheiten" anzupassen. Faktisch stände damit auch das angeblich "verbindliche" EU-Gesamtziel für den Ausbau der Erneuerbaren nur auf dem Papier. Stattdessen begünstigt der Vorschlag den Ausbau der Kernenergie und die Errichtung von Kohlekraftwerken mit CCS-Technik zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung des Kohlendioxids.

In den beiden bisherigen EU-Richtlinien zum Ausbau der Erneuerbaren Energien vom September 2001 (000505) und vom April 2009 (090614) waren die nationalen Ziele genau vorgegeben. Zum Beispiel verpflichtete sich Deutschland, den Erneuerbaren-Anteil an der Bruttostromerzeugung bis 2010 auf 12,5 Prozent und den am Endenergieverbrauch bis 2020 auf 18 Prozent zu steigern. Mit Hilfe des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wurden das Ziel bei der Stromerzeugung bereits 2007 übertroffen, während die meisten anderen EU-Staaten sich schwer damit taten, die gesteckten Strom-Ziele zu erreichen (070111, 060414).

Vorrang der CO2-Minderung würde Bau von Atomkraftwerken und CCS-Kohlekraftwerken begünstigen

Insgesamt verfehlte die EU deutlich das Ziel, den Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch bis 2010 um 21 Prozent zu steigern. Die Kommission nahm dies Anfang 2011zum Anlaß, um weitergehende Vollmachten zu einer europaweiten "Harmonisierung" der Erneuerbaren-Förderung zu verlangen (110206). Die Grünen im Europa-Parlament äußerten damals den Verdacht, daß Energiekommissar Günther Oettinger auf diese Weise erneut versuche, das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz zu Fall zu bringen (110102), nachdem die Kommission damit gescheitert war, das EEG durch die Einführung eines obligatorischen Handels mit sogenannten Herkunftsnachweisen auszuhebeln (080103). Oettinger agiere dabei als "Trojanisches Pferd der Energiekonzerne".

Dieser Verdacht scheint sich nun zu bestätigen. Die Kommission erklärt in ihrer Mitteilung das Ziel einer Emissionsminderung um 40 Prozent unter den Stand von 1990 zum "Kernstück der Energie- und Klimapolitik der EU bis 2030". Bisher verfolgte sie dagegen gleichrangig den Ausbau der Erneuerbaren und die Erhöhung der Energieeffizienz: Bis 2020 sollten die CO2-Emissionen um 20 Prozent sinken, während gleichzeitig der Anteil der Erneuerbaren am Gesamtenergieverbrauch um 20 Prozent und die Energieeffizienz ebenfalls um 20 Prozent steigen sollten (070102). Das Bezugsjahr für die angestrebte Senkung der CO2-Emissionen war zunächst 1990. Es wurde dann aber durch das Jahr 2005 ersetzt, was auf eine Senkung des Minderungsziels hinauslief (080103).

Die absolute Priorität, die von der Kommission nunmehr dem CO2-Minderungsziel eingeräumt wird, läßt den einzelnen Mitgliedsstaaten freie Hand, wie sie ihr nationales Soll erfüllen. Zum Beispiel könnte dies durch weiteren Ausbau der Kernenergie geschehen, wie ihn vor allem Frankreich und Großbritannien beabsichtigen. Aber auch der Bau von Kohle- und Gaskraftwerken mit CCS-Technik zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung des Kohlendioxids würde damit als wirksames Instrument des Klimaschutzes anerkannt und auf eine Stufe mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien gestellt.

Verknappung von Zertifikaten soll Emissionshandel effizienter machen

Um dem bisher wirkungslosen Handel mit Emissionsberechtigungen aufzuhelfen, schlägt die Kommission vor, zu Beginn der vierten Handelsperiode im Jahr 2021 eine "Marktstabilitätsreserve" einzuführen. Die EU könnte demnach bis zu 12 Prozent der Rechte aus dem Markt nehmen und als Reserve zurückhalten, wenn der Preis pro Zertifikat zu niedrig wäre, um eine Wirkung für den Klimaschutz zu entfalten. Dies soll es ermöglichen, den Preis auf einem für angemessen erachteten Niveau zu stabilisieren. Je nach Entwicklung der Börsennotierung würden die Zertifikate dann wieder in Umlauf gebracht.

In Prinzip handelt es sich um dasselbe Verfahren, mit dem in der derzeitigen dritten Handelsperiode dem darniederliegenden Emissionshandel auf die Beine geholfen werden soll, indem vorübergehend bis zu 900 Millionen Emissionszertifikate vom Markt genommen und erst zum Ende der Handelsperiode wieder eingespeist werden. Die Kommission will so verhindern, daß der 2005 gestartete Emissionshandel weiterhin so gut wie keinen Beitrag zum Klimaschutz leistet (120203, 130105). Auch das EU-Parlament hat seine Vorbehalte gegenüber einer solchen Regelung (130405, 130712) inzwischen aufgegeben und stimmte den Plänen am 10. Dezember mit großer Mehrheit zu.

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