Mai 2013

130506

ENERGIE-CHRONIK


Schlussfolgerungen des Europäischen Rates (Tagung vom 22. Mai 2013)

Vor dem Hintergrund der derzeitigen Wirtschaftslage müssen wir all unsere politischen Möglichkeiten zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, der Beschäftigung und des Wachstums mobilisieren.

Die Versorgung unserer Wirtschaft mit erschwinglicher und nachhaltiger Energie ist in diesem Zusammenhang von größter Bedeutung. Der Europäische Rat hat daher heute eine Reihe von Leitlinien in vier Bereichen vereinbart, die es in ihrer Gesamtheit der EU ermöglichen sollten, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und auf die Herausforderung hoher Preise und Kosten zu reagieren: vordringliche Vollendung eines uneingeschränkt funktionierenden und vernetzten Energiebinnenmarkts, Erleichterung der erforderlichen Investitionen in den Energiebereich, Diversifizierung der Lieferquellen Europas und bessere Energieeffizienz.

Durch Steuerbetrug und Steuerhinterziehung wird die Fähigkeit der Länder gemindert, Einnahmen zu erzielen und ihre Wirtschaftspolitik durchzuführen. In Zeiten großer Haushaltszwänge ist die Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung mehr als nur eine Frage der Steuergerechtigkeit – sie wird für die politische und gesellschaftliche Akzeptanz der Haushaltskonsolidierung unerlässlich. Der Europäische Rat ist übereingekommen, dass die Arbeit zur Bekämpfung von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und aggressiver Steuerplanung beschleunigt wird. Insbesondere soll vorrangig daran gearbeitet werden, den automatischen Informationsaustausch auf allen Ebenen zu fördern und seinen Anwendungsbereich zu erweitern.

I. ENERGIE 1.

1. Die Energiepolitik der EU muss auf sichere und nachhaltige Weise die Versorgungssicherheit für Haushalte und Unternehmen zu erschwinglichen und wettbewerbsfähigen Preisen und Kosten gewährleisten. Dies ist für die Wettbewerbsfähigkeit Europas vor dem Hintergrund der wachsenden Energienachfrage seitens der größten Volkswirtschaften und hoher Energiepreise und -kosten besonders wichtig. Die vom Europäischen Rat im Februar 2011 festgelegten Leitlinien bleiben zwar gültig und müssen weiterhin umgesetzt werden, jedoch sind – wie nachstehend dargelegt – weitere Arbeiten notwendig.

2. Der Europäische Rat bekräftigt die beiden Ziele Vollendung des Energiebinnenmarkts bis 2014 und Ausbau der Verbundnetze, um alle bislang abgekoppelten Mitgliedstaaten bis 2015 an die europäischen Gas- und Stromnetze anzubinden, und fordert, dass Folgendes besonderen Vorrang erhält:

a) wirksame und kohärente Umsetzung des dritten "Energiepakets" sowie beschleunigte Annahme und Umsetzung der verbleibenden Netzkodizes. Die Mitgliedstaaten, die die Umsetzung noch nicht abgeschlossen haben, werden ersucht, dies vordringlich zu tun;

b) Umsetzung aller anderen damit zusammenhängenden Rechtsvorschriften, wie der Richtlinie zur Förderung von erneuerbaren Energien und der Verordnung über sichere Erdgasversorgung;

c) entschlossenere Maßnahmen auf der Nachfrageseite sowie Entwicklung von verwandten Technologien, einschließlich Ausarbeitung nationaler Pläne für die rasche Einführung intelligenter Netze und intelligenter Zähler im Einklang mit den bestehenden Rechtsvorschriften;

d) Stärkung der Rolle und der Rechte der Verbraucher, auch hinsichtlich eines Wechsels des Versorgers, eines verbesserten Managements der Energienutzung und der Eigenenergieerzeugung; in diesem Zusammenhang hebt der Europäische Rat hervor, wie wichtig es ist, einkommensschwächere Verbraucher zu schützen;

e) Erstellung von Leitlinien durch die Kommission über Mechanismen zur Kapazitätssicherung und über die Inangriffnahme des Problems ungeplanter Stromflüsse.

3. Die Kommission beabsichtigt, Anfang 2014 über die Fortschritte bei der Verwirklichung des Energiebinnenmarkts Bericht zu erstatten. Die Mitgliedstaaten werden regelmäßig Informationen über die wichtigsten nationalen Entscheidungen im Energiebereich, die sich auf die anderen Mitgliedstaaten auswirken können, austauschen; dabei werden die jeweiligen nationalen Entscheidungen bezüglich des Energiemix uneingeschränkt geachtet.

4. Zur Sicherung einer kontinuierlichen Energieversorgung zu erschwinglichen Preisen bedarf es erheblicher Investitionen in neue und intelligente Energieinfrastrukturen. Derartige Investitionen sind unerlässlich für Beschäftigung und nachhaltiges Wachstum und werden dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Die Finanzmittel für diese Investitionen sollten in erster Linie über den Markt bereitgestellt werden. Es ist daher umso wichtiger, über einen gut funktionierenden CO2-Markt und einen berechenbaren klima- und energiepolitischen Rahmen für die Zeit nach 2020 zu verfügen, der geeignet ist, privates Kapital zu mobilisieren und die Kosten für Energieinvestitionen zu senken. Der Europäische Rat begrüßt das Grünbuch der Kommission mit dem Titel "Ein Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030" und wird im März 2014, nachdem die Kommission konkretere Vorschläge vorgelegt hat, auf dieses Thema zurückkommen, um die diesbezüglichen politischen Optionen – unter Berücksichtigung der Ziele für die 21. Vertragsparteienkonferenz (COP 21), die 2015 stattfindet – zu erörtern.

5. Bei den Maßnahmen zur Erleichterung von Investitionen erhält Folgendes Vorrang:

a) rasche Umsetzung der TEN-Energie-Verordnung und Annahme der Liste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse im Herbst dieses Jahres, damit die EU-weit unternommenen Anstrengungen zur Verwirklichung eines effektiven Verbunds der Mitgliedstaaten unterstützt werden, und entschlossenere Maßnahmen, um das Ziel der Verwirklichung eines Verbunds von mindestens 10 % der vorhandenen Stromerzeugungskapazität zu erreichen;

b) Annahme der Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe;

c) Überarbeitung der Vorschriften über staatliche Beihilfen durch die Kommission, um gezielte Interventionen zur Erleichterung von Investitionen im Energie- und Umweltbereich zu ermöglichen, wobei gleiche Bedingungen gewährleistet und die Integrität des Binnenmarkts gewahrt werden; schrittweise Einstellung umweltgefährdender oder wirtschaftlich nachteiliger Subventionen, einschließlich für fossile Brennstoffe;

d) Vorlage von Orientierungshilfen durch die Kommission zu wirksamen und kosteneffizienten Förderregelungen für erneuerbare Energien und zur Gewährleistung einer angemessenen Erzeugungskapazität; Schlussfolgerungen

e) Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der EU wie Strukturfonds, Projektanleihen und verbesserte EIB-Unterstützung, um die Finanzierung der Energie- und Ressourceneffizienz, der Energieinfrastrukturen und erneuerbarer Energien zu stimulieren und den Ausbau der technologischen und industriellen Basis Europas zu fördern;

f) weitere Anstrengungen in den Bereichen Energie-FuE, Technologie und Nutzung von Synergien mit den IKT durch eine bessere Koordinierung zwischen der EU, den Mitgliedstaaten und der Industrie und Ausarbeitung einer FuE-Strategie in Energiefragen, damit auf europäischer Ebene ein echter Mehrwert erzielt wird.

6. Einer stärkeren Diversifizierung der Energieversorgung Europas und der Entwicklung der heimischen Energieressourcen kommt nach wie vor entscheidende Bedeutung im Hinblick auf die Gewährleistung der Versorgungssicherheit, die Verringerung der Energieabhängigkeit der EU von Drittländern und die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums zu. Zu diesem Zweck

a) wird die Nutzbarmachung erneuerbarer Energieträger fortgesetzt, wobei ihre Kosteneffizienz, ihre weitere Marktintegration und die Netzstabilität gewährleistet werden und die Erfahrungen einiger Mitgliedstaaten, die in beträchtlichem Umfang in Technologien für erneuerbare Energien investiert haben, zugrunde gelegt werden;

b) will die Kommission prüfen, inwieweit systematischer auf heimische Onshore- und Offshore-Energiequellen zurückgegriffen werden kann und diese sicher, nachhaltig und kosteneffizient genutzt werden können, wobei die Entscheidungen der Mitgliedstaaten bezüglich ihres Energiemix geachtet werden;

c) werden die Mitgliedstaaten angesichts der zunehmenden Verflechtung der internen und externen Energiemärkte zur Unterstützung der externen Dimension der EU-Energiepolitik stärker zusammenarbeiten; der Rat wird vor Ende 2013 an seine Schlussfolgerungen vom November 2011 anknüpfen und die Entwicklungen in Bezug auf die externe Energiepolitik der EU überprüfen, einschließlich des Erfordernisses der Gewährleistung gleicher Bedingungen gegenüber Energieerzeugern aus Drittstaaten und der nuklearen Sicherheit in der Nachbarschaft der EU entsprechend den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 2012.

7. Maßnahmen zur Energieeffizienz können erheblich dazu beitragen, die derzeitigen Trends bei den Energiepreisen und -kosten umzukehren. Der Durchführung der Richtlinien zur Energieeffizienz und zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden kommt hierbei entscheidende Bedeutung zu. Die Kommission wird die Richtlinien über die umweltgerechte Gestaltung und über die Energieetikettierung vor Ende 2014 entsprechend den technischen Entwicklungen überprüfen. Maßnahmen und Programme zur Energieeffizienz sollten auf allen Ebenen gefördert werden.

8. Die Auswirkungen der hohen Energiepreise und -kosten müssen angegangen werden, wobei die vorrangige Rolle, die ein gut funktionierender und effektiver Markt und Tarife bei der Finanzierung von Investitionen spielen, zu berücksichtigen ist. Der Europäische Rat ruft dazu auf, die Arbeiten in Bezug auf folgende Aspekte voranzubringen:

a) Innovativen Finanzierungsmethoden, auch im Hinblick auf Energieeffizienz, einer systematischeren Diversifizierung der Lieferquellen und einer verbesserten Liquidität im Energiebinnenmarkt kommt ebenfalls eine besondere Rolle zu, wenn es um die Energiekosten geht;

b) in diesem Zusammenhang ist das Augenmerk auf die vertragliche Koppelung des Erdgaspreises an den Erdölpreis zu richten;

c) die Kommission beabsichtigt, vor Ende 2013 eine Untersuchung über die Zusammensetzung der Energiepreise und -kosten in den Mitgliedstaaten sowie über die diese Preise und Kosten bestimmenden Faktoren vorzulegen, wobei der Schwerpunkt insbesondere auf die Auswirkungen auf die Haushalte, die KMU und die energieintensiven Wirtschaftszweige gelegt und die Wettbewerbsfähigkeit der EU gegenüber den anderen globalen Wirtschaftsakteuren umfassender geprüft wird. Diese Fragen werden im Zusammenhang mit den Beratungen über industrielle Wettbewerbsfähigkeit und Industriepolitik auf der für Februar 2014 angesetzten Tagung des Europäischen Rates erörtert.

9. Der Rat wird bis Ende des Jahres über die Fortschritte bei der Umsetzung der heute vereinbarten Leitlinien Bericht erstatten.

II. STEUERN

10. Es ist wichtig, besonders im derzeitigen Kontext der Haushaltskonsolidierung wirksame Schritte zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug zu unternehmen, um die Einnahmen zu sichern und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Gerechtigkeit und Wirksamkeit der Steuersysteme zu gewährleisten. Auf diesem Gebiet sind verstärkte Anstrengungen notwendig, in deren Rahmen Maßnahmen auf nationaler, europäischer und globaler Ebene unter voller Achtung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und der Verträge miteinander kombiniert werden müssen. Der Europäische Rat weist auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 14. Mai 2013 hin und fordert rasche Fortschritte bei folgenden Themen:

a) Vorrang erhält die Erweiterung des automatischen Informationsaustauschs auf EUEbene und auf globaler Ebene. Auf der Ebene der EU will die Kommission im Juni Änderungen an der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden vorschlagen, damit der automatische Informationsaustausch eine ganze Bandbreite von Einkünften erfasst. Auf internationaler Ebene wird die EU – aufbauend auf der derzeitigen Arbeit in der EU und der unlängst durch die Initiative einer Gruppe von Mitgliedstaaten entstandenen Dynamik – eine zentrale Rolle bei der Förderung des automatischen Informationsaustauschs als neuem internationalem Standard unter Berücksichtigung der geltenden EU-Regelungen spielen. Der Europäische Rat begrüßt die Anstrengungen zur Erarbeitung eines globalen Standards, die derzeit im Rahmen der G8, der G20 und der OECD unternommen werden;

b) nach der Einigung vom 14. Mai 2013 über das Mandat zur Verbesserung der Übereinkünfte der EU mit der Schweiz, Liechtenstein, Monaco, Andorra und San Marino werden die Verhandlungen so bald wie möglich beginnen, damit gewährleistet wird, dass diese Länder weiterhin Maßnahmen anwenden, die den in der EU angewandten Maßnahmen gleichwertig sind. Angesichts dessen und in Anbetracht des Konsenses über den Anwendungsbereich der überarbeiteten Richtlinie über die Besteuerung von Zinserträgen fordert der Europäische Rat, dass die Richtlinie vor Ende des Jahres angenommen wird;

c) die Mitgliedstaaten werden ferner den konkreten Folgemaßnahmen zum Aktionsplan zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung Vorrang einräumen;

d) der Europäische Rat erwartet, dass der Rat zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs bis spätestens Ende Juni 2013 die Richtlinie über den Schnellreaktionsmechanismus und die Richtlinie über die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge- Verfahren) verabschiedet;

e) die Arbeit zu den Empfehlungen der Kommission über aggressive Steuerplanung und Gewinnverlagerung wird fortgeführt. Die Kommission will vor Jahresende einen Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften vorlegen, und sie überprüft gegenwärtig die in den einschlägigen EU-Rechtsakten vorgesehenen Bestimmungen zur Missbrauchsbekämpfung. Der Europäische Rat sieht dem künftigen Bericht der OECD zum Thema Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlage und Gewinnverlagerung erwartungsvoll entgegen;

f) es ist wichtig, innerhalb der EU weiter an der Beseitigung schädlicher steuerlicher Maßnahmen zu arbeiten. Hierzu sollte auf der Grundlage des geltenden Mandats über eine Stärkung des Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung beraten werden;

g) die Anstrengungen im Kampf gegen die Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlage, Gewinnverlagerung, mangelnde Transparenz und schädliche steuerliche Maßnahmen müssen auch auf globaler Ebene – mit Drittländern und in den einschlägigen internationalen Foren wie der OECD – auf der Grundlage koordinierter Standpunkte der EU fortgeführt werden, um gleiche Bedingungen sicherzustellen. Insbesondere muss noch weiter darauf hingearbeitet werden, dass Drittländer, einschließlich Entwicklungsländer, angemessene Standards für das verantwortungsvolle Handeln im Steuerbereich einhalten;

h) es ist notwendig, innerhalb des Binnenmarkts und gegenüber nicht kooperativen Drittländern und Steuergebieten umfassend gegen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug vorzugehen und Geldwäsche zu bekämpfen. In beiden Fällen ist die Identifizierung des wirtschaftlichen Eigentümers, einschließlich im Falle von Unternehmen, Treuhandgesellschaften und Stiftungen, von wesentlicher Bedeutung. Die überarbeitete dritte Geldwäscherichtlinie sollte bis Ende des Jahres verabschiedet werden;

i) der Vorschlag zur Änderung der Richtlinien im Hinblick auf die Offenlegung nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Gesellschaften und Konzerne wird geprüft werden, insbesondere um sicherzustellen, dass große Gesellschaften und Konzerne eine nach Ländern untergliederte Rechnungslegung anwenden;

j) um der Steuerproblematik in der digitalen Wirtschaft begegnen zu können, müssen entsprechende Anstrengungen unter umfassender Berücksichtigung der laufenden Arbeiten in der OECD unternommen werden. Die Kommission will diese Punkte im Vorfeld der auf der Tagung des Europäischen Rates im Oktober 2013 geplanten Diskussion über die digitale Agenda weiter prüfen.

11. Der Rat wird bis Dezember 2013 über die Fortschritte bei all diesen Fragen Bericht erstatten.