April 2012

120405

ENERGIE-CHRONIK


 

 

Wie diese Grafik zeigt, wurden 2011 insgesamt 19 Terawattstunden Solarstrom eingespeist (weiße Kurve) und mit ingesamt 7,32 Milliarden Euro vergütet (blaue Kurve). Für 2012 wird mit einem weiteren Anstieg der Gesamtvergütung auf 8,75 Milliarden gerechnet. Schon etwa ab 2007 hätte man die Einspeisungsvergütungen deutlich stärker kürzen müssen, um gegenzusteuern und die folgende Verfünffachung der Belastung zu verhindern. Damit wäre wahrscheinlich auch ein heilsamer Druck auf die damals noch florierende deutsche Solarindustrie entstanden, gegenüber der chinesischen Konkurrenz preisgünstiger zu werden (siehe auch Hintergrund).

Die rote Kurve zeigt im zeitlichen Vergleich die jeweils geltende Grundvergütung; die 2004 eingeführten Vergütungen für Dachanlagen waren durchweg höher.

Solar-Kürzungen treiben weitere Unternehmen in die Insolvenz

Die vom Bundestag beschlossenen Kürzungen der Einspeisungsvergütung für Solarstrom (120301) haben in der Solarbranche zu weiteren Insolvenzen, Betriebsschließungen und Produktionseinschränkungen geführt. Betroffen sind vor allem Hersteller von Solarzellen, die sich außerstande sehen, im Preiskampf mit der chinesischen Konkurrenz zu bestehen. Aber auch Zulieferer spüren die Eintrübung der Geschäftslage. Regional trifft die Solarkrise vor allem Ostdeutschland, und hier besonders hart die Städte Bitterfeld und Frankfurt/Oder.

Allein bei Q-Cells und First Solar sind 2500 deutsche Arbeitplätze betroffen

Ende März meldeten die Firma Odersun in Frankfurt/Oder mit 260 Beschäftigten und die deutschen Tochtergesellschaften des niederländischen Photovoltaik-Herstellers Scheuten Solar in Gelsenkirchen mit 235 Beschäftigten Insolvenz an. Am 3. April folgte das Unternehmen Q-Cells in Bitterfeld mit 1300 Mitarbeitern. Am 18. April gab das US-Unternehmen First Solar die geplante Schließung seiner Solarmodul-Fertigung in Frankfurt/Oder mit 1200 Beschäftigten bekannt. Die Wacker-Chemie in Burghausen, die Silizium-Scheiben (Wafer) für die Herstellung von Solarzellen fertigt, will in diesem Produktionsbereich 150 Arbeitsplätze abbauen. Die SMA Solar in Kassel, die ein führender Hersteller von Wechselrichtern für Photovoltaik-Anlagen ist, enttäuschte die Aktionäre mit einem Gewinneinbruch und halbierter Dividende. Das Solarunternehmen Conergy hat seine Produktion in Frankfurt/Oder teilweise stillgelegt und wurde von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) auf einer Liste der 50 größten "Kapitalvernichtern" an erster Stelle aufgeführt.

Bosch bremst ebenfalls, übernimmt aber von Conergy die Wechselrichter-Tochter Voltwerk

In der Konzernbilanz der Robert Bosch GmbH, die vor knapp vier Jahren in die Photovoltaik einstieg (080617), taucht das neue Geschäftsgebiet mit einer Sonderabschreibung von 560 Millionen Euro auf. Der geplante Bau einer neuen Solarfabrik im Malaysia wurde bis auf weiteres verschoben. Dennoch will Bosch am Solargeschäft festhalten und hat sogar den Wechselrichter-Hersteller Voltwerk übernommen, den Conergy verkaufen mußte, um an frisches Geld zu kommen. In der Schweiz verkaufte der Technologiekonzern Oerlikon seine Solarsparte an den bisherigen japanischen Vertriebspartner Tokyo Electron Limited.

Staatliche Fördergelder sind großteils verloren

Im Osten Deutschlands verschwinden nicht nur etliche Arbeitsplätze, sondern auch viele Millionen an Zuschüssen aus öffentlichen Kassen, mit denen die Ansiedlung der vermeintlich zukunftsträchtigen Solarindustrie gefördert werden sollte. So erhielt First Solar 45 Millionen Euro für das Werk in Frankfurt/Oder, das 2007 den Betrieb aufnahm, und weitere 22 Millionen Euro für eine Werkserweiterung, die erst vor einem halben Jahr stattfand. Trotz der kurzen Betriebszeit können der Bund und das Land Brandenburg nur den jüngst gewährten Zuschuß zurückverlangen. Die 45 Millionen Euro an Förderung darf First Solar vertragsgemäß behalten, wenn die Produktion noch bis Ende Oktober läuft. Die Beschäftigten haben deshalb noch ein paar Monate Gnadenfrist. First Solar ist auf Dünnschicht-Module spezialisiert.

Die Firma Odersun wurde ebenfalls mit staatlichen Zuschüssen in zweistelliger Millionenhöhe aufgebaut. Als es ihr im Januar nicht gelang, die Löhne pünktlich auszuzahlen, bekam sie von der Landesregierung ein Darlehen in Höhe von drei Millionen Euro. Außerdem soll sich die Landesregierung für weitere Kredite in Höhe von acht Millionen Euro verbürgt haben. Die Firma erwirtschaftete bisher keine nennenswerten Umsätze. Dennoch verbuchte sie im Geschäftsjahr 2010 einen Verlust von 26,2 Millionen Euro und spendierte den fünf Vorstandsmitgliedern Gesamtbezüge in Höhe von 1,66 Millionen Euro. Die Insolvenz der Firma könnte deshalb noch ein Nachspiel im brandenburgischen Landtag haben.

Die Pleite von Q-Cells in Bitterfeld ist besonders bitter

Bei der vor 13 Jahren gegründeten Firma Q-Cells sind keine öffentlichen Gelder in Gefahr. Dafür gestaltet sich hier der Absturz besonders steil: Q-Cells galt als das ostdeutsche Vorzeige-Unternehmen schlechthin. Die Firma entstand aus kleinsten Anfängen, wurde seit 2005 an der Börse notiert und erreichte 2007 eine Marktkapitalisierung von acht Milliarden Euro. Der Aufstieg von Q-Cells inspirierte die Schriftstellerin Monika Maron zu einem 2009 erschienenen Buch, das den Wandel Bitterfelds vom schmutzigen Chemiestandort zum "Solar Valley" beschrieb. Just in diesem Jahr verzeichnete Q-Cells aber erstmals einen Umsatzrückgang und mußte Kurzarbeit einführen (090812). Bis Ende 2012 fiel der Kurs der Aktie auf weniger als ein Prozent des einstigen Höchstwerts von 75 Euro. Im vergangenen Jahr betrug der Verlust knapp 850 Millionen Euro bei einem Umsatz von einer Milliarde Euro.

Schon Ende 2011 hatte der bekannte Solarzellen-Hersteller Solon in Berlin die Insolvenz beantragt (111212). Sein Kerngeschäft wurde Anfang März vom Solarzellen-Hersteller Microsol übernommen, der seinen Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten hat. Die neu gegründete Solon Energy GmbH hat den Kunden der alten Firma angeboten, "nahezu alle Garantien auf Module fortzuführen".

Sonderfall Solar Millennium

Ein Sonderfall war dagegen die Solar Millennium AG, die sich am 21. Dezember 2011 für zahlungsunfähig erklärte (111213). Als Projektierer von solarthemischen Anlagen im Ausland war sie von der Kürzung der Solarstromvergütungen in Deutschland auch gar nicht betroffen. Vorwiegend hausgemachte Gründe hatte ebenso die Pleite des Unternehmens Solarhybrid AG, das zunächst die US-Projekte von Solar Millennium übernehmen wollte, aber am 21. März ebenfalls Insolvenzantrag stellte.

Röttgen sieht keinen "unmittelbaren Zusammenhang" mit den jüngsten Abstrichen

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) legte am 18. April Wert auf die Feststellung, daß die negative Entwicklung der deutschen Photovoltaikindustrie auf einen "dramatischen Preisverfall bei Photovoltaik-Modulen aufgrund massiver weltweiter Überkapazitäten" zurückzuführen sei. Es sei unzutreffend und gehe an der Realität vorbei, sie in "unmittelbaren Zusammenhang" mit den seit dem 1. April geltenden neuen Vergütungssätzen für Solarstrom zu bringen. Weltweit gebe es inzwischen eine Herstellungskapazität von bis zu 70 Gigawatt, der 2011 ein Absatz von lediglich etwa 27 Gigawatt gegenübergestanden habe. Die Kürzung der Einspeisungsvergütungen verhindere, daß dieses globale Überangebot in den deutschen Markt dränge. "Eine derartige Subventionierung globaler Überkapazitäten durch die deutschen Stromverbraucher ist nicht hinnehmbar. Deshalb wurde die EEG-Vergütung zum 1. April dieser Preisentwicklung angepasst, um die EEG-Umlage im Interesse der Stromverbraucher stabil zu halten."

Vor dem Inkraftreten muß das geänderte Erneuerbare-Energien-Gesetz, das rückwirkend zum 1. April die Vergütungen kürzt, noch den Bundesrat passieren. Der Umweltausschuss der Ländervertretung empfahl am 27. April die Aufnahme von Verhandlungen mit der Bundesregierung, um Nachbesserungen zu erreichen. Ob der Bundesrat den Vermittlungsausschuß anruft, entscheidet sich am 11. Mai. Das Gesetz bedarf jedoch nicht der Zustimmung des Bundesrats.

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