September 2011

110914

ENERGIE-CHRONIK


 


Die drei Fotos zeigen verschiedene Ausbauzustände in Rheinfelden: Auf der rechten Seite des Wehrs, am schweizerischen Ufer, entstand das neue Wasserkraftwerk mit vier Rohrturbinen (Foto 2011). Das alte Kraftwerk und sein Einlaufkanal (Foto 2010) wurden inzwischen abgerissen bzw. trockengelegt. Das Gelände soll nun zu einem für Fische passierbaren Flußarm renaturiert werden (Modell 2012).

Neues Wasserkraftwerk Rheinfelden leistet bis zu 100 MW

In Anwesenheit des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) und der schweizerischen Bundesrätin Doris Leuthard wurde am am 15. September das neue Grenzwasserkraftwerk Rheinfelden am Hochrhein offiziell in Betrieb genommen. Die neue Anlage ersetzt das alte Kraftwerk aus dem 19. Jahrhundert, das zuletzt über eine Gesamtleistung von 26 MW verfügte. Bei entsprechender Wasserführung des Rheins kann sie 1500 Kubikmeter Wasser in der Sekunde verarbeiten und eine elektrische Leistung von bis zu 100 Megawatt erbringen. Die vier Rohrturbinensätze speisen bereits seit Ende vorigen Jahres ins Netz ein. Die Hälfte des erzeugten Stroms von jährlich rund 600 Gigawattstunden steht der EnBW-Tochter Energiedienst zu, die das Kraftwerk betreibt und ihren Anteil über die Energiedienst-Tochter NaturEnergie direkt als Ökostrom vermarktet. Die andere Hälfte wird zu Gestehungskosten dem Kanton Aargau überlassen und vom schweizerischen Energiekonzern Axpo vertrieben.

Neubau wurde schon 1984 vereinbart, aber mangels Rentabilität aufgeschoben


Symbolischer Knopfdruck durch EnBW-Chef Hans-Peter Villis, Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Bundesrätin Doris Leuthard, Hans Kuntzemüller und Martin Steiger von der Energiedienst AG sowie Axpo-Chef Manfred Thumann (von links nach rechts).
Fotos (4): Energiedienst

Das 1898 fertiggestellte alte Kraftwerk war seinerzeit mit einer Leistung von 10 MW das größte Wasserkraftwerk Europas und versorgte vor allem Chemie- und Aluminiumindustrie. Der auf neunzig Jahre befristete Konzessionsvertrag wäre 1988 ausgelaufen. Bereits 1984 vereinbarten die damaligen Kraftübertragungswerke Rheinfelden (KWR) mit den Konzessionsgebern eine Verlängerung und die Errichtung eines leistungsfähigeren Neubaues. Zur Verwirklichung kam es aber vorläufig nicht, weil die Liberalisierung des Strommarktes den Neubau von Wasserkraftwerken unrentabel erscheinen ließ (981230). Außerdem förderte das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nur kleine Wasserkraftanlagen mit einer Leistung bis 5 MW (000326). Die KWR erhielten deshalb von den schweizerischen und deutschen Behörden die Genehmigung für eine etappenweise Realisierung des Kraftwerksneubaus über einen längeren Zeitraum. Vorerst wurde nur das sanierungsbedürftige Wehr erneuert (020812). Ab 2004 erweiterte dann das novellierte EEG – auch und vor allem mit Blick auf die Situation in Rheinfelden – die Vergütung auf Leistungszuwächse, die durch Modernisierung großer Wasserkraftwerke erzielt werden (030803, 040401). Dadurch wurde das Projekt rentabler. Die KWR waren inzwischen von der Energie Baden-Württemberg (EnBW) übernommen worden (020807). Im Juli 2005 verkündete die EnBW die zügige Inangriffnahme des Neubaues und dessen Fertigstellung bis 2011 (050710). Die vergleichsweise geringe EEG-Vergütung wird nun allerdings nicht in Anspruch genommen, da die Direktvermarktung als Ökostrom vorteilhafter ist.

Altes Kraftwerksgebäude trotz Denkmalswürdigkeit abgerissen

Bei der alten Anlage wurde das Wasser durch einen Kanal auf der deutschen Seite des Hochrheins dem Kraftwerk zugeführt, das etwa 130 Meter unterhalb des Wehrs in Längsrichtung zum Fluß stand. Bei der neuen Anlage ist das Maschinenhaus mit den vier Rohrturbinen in das Wehr integriert. Um das Maschinenhaus auf der schweizerischen Flußseite errichten zu können, mußte eine dort vorhandene Felsformation ("Gwild") zur Hälfte beseitigt werden. Im Zuge der Ausgleichsmaßnahmen wird der Einlaufkanal des alten Wasserkraftwerks in einen naturwüchsig wirkenden Wasserlauf umgestaltet, der für Fische passierbar ist. Das alte Kraftwerksgebäude wurde inzwischen abgerissen, obwohl es die Kriterien eines Industriedenkmals erfüllte und insoweit erhaltungwürdig gewesen wäre. Proteste dagegen blieben erfolglos, da bei der Planung der Abriß des Gebäudes als notwendig galt, um den Einlaufkanal umzugestalten. Erst später stellte sich heraus, daß es auch möglich gewesen wäre, ihn unter dem alten Kraftwerksgebäude hindurchzuführen.

Neue Rohrturbine am Wehr Albbruck-Dogern bringt zusätzlich 24 MW

Rheinfelden ist das zweite der insgesamt elf Grenzwasserkraftwerke am Hochrhein, das erweitert bzw. durch einen Neubau ersetzt wurde. Schon Ende 2009 nahm die Rheinkraftwerk Albbruck-Dogern AG (RADAG) ein neues Kraftwerk in Betrieb, das die vorhandene Staustufe zwischen Dogern und Leibstadt zusätzlich nutzt (070211). Es verfügt über eine Rohrturbine mit einer elektrischen Leistung von 24 MW und befindet sich direkt am Wehr. Dadurch wird die Wasserführung des Rheins unterhalb des Wehrs verbessert, da die Altanlage über einen Seitenkanal versorgt wird, der das Wasser erst 3,5 Kilometer hinter dem Wehr wieder ins Flußbett zurückgibt. Die Baukosten betrugen rund 70 Millionen Euro. Die RADAG gehört zu 52 Prozent RWE und zu sechs Prozent der EnBW. Der Rest sind schweizerische Eigentümer. Die wirtschaftliche und technische Betriebsführung der RADAG liegt seit 2004 in den Händen der Schluchseewerk AG, die jeweils zur Hälfte RWE und EnBW gehört. Die Schluchseewerk AG verwendet den Stauraum vor dem Wehr Albbruck-Dogern als Unterbecken für den Pumpspeicherbetrieb des Schluchseewerks, das seit 1953 über einen 9,5 Kilometer langen Stollen mit dem Hochrhein verbunden ist.

Die elf Grenzwasserkraftwerke am Hochrhein

Stufe Name Bauzeit Reihenfolge der Inbetriebnahme Installierte Turbinenleistung in MW Durchschnittliche Stromerzeugung pro Jahr in GWh
1 Schaffhausen 1960-1963 10 29 168
2 Rheinau 1951-1956 9 37 237
3 Eglisau 1914-1919 4 34 240
4 Reckingen 1939-1941 7 39 234
5 Albbruck-Dogern 1 1929-1934 6 85 569
5 Albbruck-Dogern 2 2007-2009 12 24 180
6 Laufenburg 1908-1914 3 110 630
7 Säckingen 1961-1966 11 74 492
8 Ryburg-Schwörstadt 1928-1931 5 120 760
9 Rheinfelden alt 1894-1898 1 26 185
9 Rheinfelden neu

2003-2001

13 100 600
10 Augst-Whylen 1907-1912 2 73 405
11 Birsfelden 1950-1954 8 100 555
        825 5070
 

 

Links (intern)