Dezember 2010

101208

ENERGIE-CHRONIK


Schweiz korrigiert ihr Stromversorgungsgesetz

Auch in der Schweiz wollen sich die versprochenen Segnungen des liberalisierten Strommarktes nicht einstellen. Nachdem Strompreiserhöhungen für Unmut gesorgt hatten, beschloß deshalb die Regierung im November 2009, das vor zwei Jahren in Kraft getretene Stromversorgungsgesetz bis zum Jahr 2014 zu revidieren. Dem zuständigen Ministerium für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) fällt es aber wegen der "Komplexität" der Materie nicht leicht, diesem Auftrag fristgerecht nachzukommen. Wie das Bundesamt für Energie am 14. Dezember mitteilte, wird deshalb der ursprünglich Zeitplan geändert und das neue Gesetz erst Anfang 2015 in Kraft treten.

Ersatz für das gescheiterte "Elektrizitätsmarktgesetz"

Die integrierte schweizerische Stromversorgung war - in verkleinertem Maßstab - ganz ähnlich wie die deutsche aufgebaut. Die große Mehrzahl der über tausend Stromunternehmen waren kommunale Versorger, während die ebenfalls im Besitz der öffentlichen Hand befindlichen sechs "Überlandwerke" den Verbundunternehmen in Deutschland entsprachen. Da die Schweiz nicht der EU angehört, aber wirtschaftlich von ihr abhängt, hat sie die Brüsseler Energiepolitik freiwillig nachvollzogen (am Ende wurde sogar das Glühlampenverbot kopiert). Das im Dezember 2000 vom Parlament verabschiedete "Elektrizitätsmarktgesetz" (990619) trat aber nie in Kraft, weil es die Bürger am 22. September 2002 in einer Volksabstimmung ablehnten (020904). Ersatzweise kam es auf Betreiben führender Wirtschaftskreise zum "Stromversorgungsgesetz", das zum 1. Januar 2008 in Kraft trat. Dieses Gesetz sieht in einer ersten Phase die Öffnung der Netze für kommerzieller Endverbraucher mit einem jährlichen Stromverbrauch von mindestens 100 MWh vor. In einer zweiten Phase soll dann ab 2013 die Ausweitung auf alle Endverbraucher erfolgen.

Ein Oligopol ersetzte tausend Monopole

Schon im November 2009 gelangte das zuständige Ministerium (UVEK) zu der Einschätzung, daß die erklärten Ziele des Stromversorgungsgesetzes, nämlich die Schaffung einer wettbewerbsorientierten und sicheren Stromversorgung mit transparenten Preisen, bisher nicht erreicht worden seien. "Die geplante Marktöffnung hat in der Realität kaum funktioniert", konstatierte auch die wirtschaftsnahe "Neue Zürcher Zeitung" (18.11.2009). "Die Strompreiserhöhungen sorgen landesweit für Unmut."

Tatsächlich vollzog sich in der Schweiz ein ähnlicher Konzentrationsprozeß wie in Deutschland, der tausend staatlich kontrollierte Versorgungsmonopole durch das Oligopol einiger Konzerne ersetzte, wobei sich die Eigentümerstruktur von der öffentlichen Hand hin zum Privatkapital verschob. Aus den Überlandwerken entstanden die beiden Platzhirsche Axpo (020504) und Alpiq (090107) sowie als nationaler Netzbetreiber die Swissgrid (050311). Die deutschen Konzerne, die anfangs große Hoffnungen auf den Schweizer Strommarkt setzten (961209, 970209, 971104, 980210, 981114, 990306, 010708), verloren deshalb das Interesse und zogen sich zurück. Vor allem die Vorgänge bei der Watt AG zeigten exemplarisch, wie deutsche mit schweizerischen Unternehmensinteressen konkurrierten (000226) und die deutschen Großaktionäre sich auch untereinander vors Schienbein traten (010808). Als erster nahm die EnBW eine "Frontbegradigung" in Richtung Schweiz vor (020807), gefolgt von RWE (040406) und E.ON (100711).

Die geplante Novellierung des Stromversorgungsgesetzes wird aber sicher nichts an der grundsätzlichen Marschrichtung ändern, die mit der Anpassung der schweizerischen Gesetzgebung an die Energiepolitik der EU-Nachbarn beschritten wurde. Es darf deshalb bezweifelt werden, daß sie zu sinkenden Preisen für die Verbraucher führen wird.