November 2010

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ENERGIE-CHRONIK


Gift-Verbot gilt nicht für Energiesparlampen und Solarmodule

Das Europäische Parlament billigte am 24. November die Neufassung der bestehenden Gesetzgebung zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe ("RoHS-Richtlinie") in Elektronik- und Elektrogeräten. Die Abgeordneten haben sich mit Erfolg dafür eingesetzt, daß alle Elektronik- und Elektrogeräte unter die Vorschrift fallen. Nur ausdrücklich erwähnte Geräte bleiben ausgenommen. Dazu gehören Kompaktleuchtstofflampen (sogenannte Energiesparlampen) und stabförmige Leuchtstofflampen (umgangssprachlich "Neonröhren"), die bis zu fünf bzw. zehn Milligramm Quecksilber enthalten dürfen. Außerdem bleibt die Verwendung des giftigen Stoffes Kadmium für die Herstellung von Solarzellen weiter zulässig. Zu den in Artikel 2 Abs. 4 der Richtlinie angeführten Ausnahmen zählen nämlich auch "Photovoltaik-Paneele, die in einem System verwendet werden sollen, das zum ständigen Betrieb an einem bestimmten Ort zur Energieerzeugung aus Sonnenlicht für öffentliche, kommerzielle, industrielle und private Anwendungen von Fachpersonal entworfen, zusammengesetzt und installiert wurde."

Hersteller von Dünnschicht-Solarzellen intervenierten erfolgreich

Giftiges Cadmium-Tellurid wird vor allem bei der Herstellung von Dünnschicht-Solarzellen verwendet. Betroffene Unternehmen wie First Solar und Q-Cells haben sich deshalb vehement gegen das drohende Verbot gewehrt. Für Firmen wie Solarworld oder Bosch Solar, deren Silizium-Zellen ohne Kadmium auskommen, wäre ein solches Verbot dagegen keine Behinderung und sogar ein Konkurrenzvorteil gewesen. Der Anteil der Kadmium-Dünnschichtzellen am weltweiten Photovoltaik-Markt soll 2008 bei 9,5 Prozent gelegen haben.

Kadmium kann Nieren und Knochen schädigen. Außerdem gilt es als krebserregend. Akut wird das Kadmium-Problem, wenn die Solarmodule nach Ablauf ihrer Lebensdauer, die mit zwanzig bis dreißig Jahre veranschlagt wird, abgebaut und entsorgt werden müssen. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) behauptet zwar, daß Gesundheits- und Umweltrisiken "nahezu ausgeschlossen" werden könnten. Davon waren aber keineswegs alle Abgeordneten des EU-Parlaments überzeugt, als die Neufassung der EU-Richtlinie 2002/95/EG schließlich mehrheitlich gebilligt wurde. "Die Solarpaneele waren ja hoch umkämpft", stellte Jo Leinen für die Fraktion der Sozialdemokraten (S&D) in der Debatte fest. "Wir wollen Kadmium aus der Umwelt raushalten, aber mit diesen Paneelen kommen 100 000 Tonnen Kadmium in die Umwelt. Man muß das genau beobachten."

"Politischer Naturschutzzaun für bestimmte Branchen"

Schärfster Kritiker der Kadmium-Freigabe für Solarzellen war der ostdeutsche FDP-Politiker Holger Krahmer (Fraktion ALDE), der in diesem Fall ein Verbot befürwortete, während er das Glühlampen-Verbot der EU für Unsinn hielt und vergebens zu verhindern versuchte (090208). In der Debatte sagte er wörtlich:

"Es ist schon eigenartig, dass wir uns sonst hier über jedes Gramm Gift sehr intensiv Gedanken machen und teilweise sehr irrational diskutieren. Aber offensichtlich gibt es Branchen in Europa, um die wir einen politischen Naturschutzzaun ziehen. Das scheint bei der im Bereich erneuerbare Energie tätigen Wirtschaft der Fall zu sein. Es ist kaum nachvollziehbar, dass wir sie einfach mit einem Fingerschnipp komplett aus dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes herausnehmen, frei nach dem Motto: Für den Klimaschutz und die Ziele im Bereich erneuerbare Energie müssen wir Gift in unserer Umwelt in Kauf nehmen. Das paßt nicht zusammen. Ich hoffe nur, dass wir das beim Elektronikschrott – auch die Entscheidung steht hier an – in dieser Form nicht wiederholen, denn dort wäre es noch eklatanter."

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