Juni 2008

080602

ENERGIE-CHRONIK


Regierung forciert den Bau von Höchstspannungsleitungen

Die Bundesregierung verabschiedete am 18. Juni das zweite Paket zur Umsetzung des Energie- und Klimaprogramms, dessen 29 Eckpunkte sie am 23. August 2007 in Meseberg beschloß (070806) und am 5. Dezember 2007 in 14 konkreten Gesetzesvorhaben formulierte (071204). Der erste Teil des Klimapakets wurde bereits am 6. Juni vom Bundestag verabschiedet (080601). Die meisten der jetzt auf den Weg gebrachten sieben Gesetze und Verordnungen novellieren bereits vorhandene Vorschriften wie die Energieeinsparverordnung, das Energieeinsparungsgesetz, die Heizkostenverordnung sowie das Mautgesetz und die Mauthöheverordnung. Neu sind dagegen das "Energieleitungsausbaugesetz" sowie die Meßzugangsverordnung, die das bereits vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur Öffnung des Meßwesens bei Strom und Gas für den Wettbewerb (080601) konkretisiert.

Das "Energieleitungsausbaugesetz" soll die Genehmigungsverfahren für Höchstspannungsleitungen verkürzen, damit das durch Windstromeinspeisung und Stromhandel strapazierte Transportnetz (050201) schneller den aktuellen Erfordernissen angepaßt werden kann, wie dies auch die Bundesnetzagentur fordert (080114). Durch das neue Gesetz wird die energiewirtschaftliche Notwendigkeit bestimmter Leitungsbauvorhaben verbindlich festgestellt. Ob ein Vorhaben überhaupt berechtigt ist, kann damit von örtlichen Planungs- und Genehmigungsbehörden nicht mehr in Frage gestellt werden. Ferner wird der Rechtsweg für diese vordringlichen Vorhaben auf eine Instanz verkürzt.

Vier neue "Strom-Autobahnen" sollen zur Hälfte verkabelt werden

Um massiven Anwohner-Protesten vorzubeugen, ist in bestimmten Abschnitten auch die Verkabelung vorgesehen, die bei Höchstspannung um ein Vielfaches teurer kommt als Freileitungen. Als "Pilotprojekte" sind die geplanten Stromtrassen von Wahle (Niedersachsen) nach Mecklar (Hessen), von Ganderkesee (Niedersachsen) nach St. Hülfe (Niedersachsen), von Diele (Niedersachsen) nach Niederrhein (NRW) sowie von Altenfeld (Thüringen) nach Redwitz (Bayern) vorgesehen (siehe Projektnummern 10, 2, 9 und 6 auf der Karte). Eine Verkabelung soll bei diesen Trassen dann möglich sein, wenn bestimmte Mindestabstände zur Wohnbebauung unterschritten werden. Zusätzlich kann beim letztgenannten Projekt im Thüringer Wald die Querung des Rennsteigs verkabelt werden. Bei allen Pilotprojekten ist die Verkabelung jedoch nur auf technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten zulässig. Damit soll ein häufiger Wechsel zwischen Freileitung und Erdkabel vermieden werden.

Das Bundeswirtschaftsministerium geht davon aus, daß die vier Pilotstrecken mit einer Gesamtlänge von 500 Kilometern etwa zur Hälfte verkabelt werden. Die Kosten der Verkabelung werden über die Netzentgelte auf die Verbraucher weitergewälzt. Die Mehrkosten bezifferte das Ministerium mit "weniger als 1 Euro pro Jahr pro Privathaushalt".

Anreiz für HGÜ-Projekte

Ferner soll das "Energieleitungsausbaugesetz" innovative Techniken wie Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ) fördern. Die erhöhten Kosten von HGÜ-Ferntransportleitungen dürfen auf die Netzentgelte umgelegt werden, wenn sich eines Tages etwaige Pilotprojekte als "wirtschaftlich vertretbar" erweisen. Ob und wann es zu solchen HGÜ-Pilotprojekten kommt, wird insbesondere von den Ergebnissen einer weiteren Netzstudie abhängen, die wiederum von der "Deutschen Energie-Agentur" (dena) organisiert wird und frühestens zum Jahreswechsel vorliegt.

Die übrigen Neuregelungen

Die Meßzugangsverordnung konkretisiert dagegen lediglich das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Öffnung des Meßwesens bei Strom und Gas für den Wettbewerb (080601). Demnach darf der Kunde künftig seinen Meßstellenbetreiber und seinen Zähler selbst auswählen. Um die Einführung "lastvariabler" Tarife für Kleinverbraucher voranzutreiben, müssen die Meßstellenbetreiber ab 2010 im Regelfall Zähler mit Lastganganzeigen anbieten. Die Lieferanten werden verpflichtet, ab 2011 auch lastvariable Tarife anzubieten. Der Kunde behält aber die Freiheit, den Einbau eines solchen Zählers abzulehnen. Bei Neubauten sollen Lastgang-Zähler ab 2010 Standard werden, aber auch hier nur insoweit, als dies "technisch machbar und wirtschaftlich zumutbar ist".

Im Mittelpunkt der Neuregelungen der Energieeinsparverordnung und des Energieeinsparungsgesetzes stehen die Anhebung der energetischen Anforderungen an Neubauten sowie die Ausweitung einzelner Nachrüstpflichten bei Altbauten, sofern größere Sanierungen vorgenommen werden. Nachtstromspeicherheizungen sollen langfristig stufenweise außer Betrieb genommen werden, sofern die Gebäude mindestens sechs Wohneinheiten umfassen und die Heizung älter als 30 Jahre ist.

Die Novelle der Heizkostenverordnung sieht vor, daß künftig in Mietgebäuden 70 Prozent der Heizkosten verbrauchsabhängig verteilt werden müssen, statt wie bisher 50 Prozent. Besonders sparsame Gebäude (Passivhäuser) werden von der Verbrauchserfassungspflicht ausgenommen.

Die Novelle des Mautgesetzes und der Mauthöheverordnung sieht vor, die Lkw-Maut entsprechend dem neuen Wegekostengutachten leicht zu erhöhen und stärker zu spreizen, so daß emissionsärmere LKW eine niedrigere und emissionsstarke LKW eine höhere Maut bezahlen müssen. Die Maut-Einnahmen werden für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur verwendet. Das Bundeskabinett beschloß außerdem, mit den Bundesländern im Rahmen der Förderalismusreform einen Steuertausch bezüglich der Kfz-Steuer zu vereinbaren, damit ab 2010 die Kfz-Steuer auf CO2-Basis umgestellt werden kann.

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