April 2008

080403

ENERGIE-CHRONIK


Bundesregierung verzichtet auf höhere Biosprit-Beimischung zum Benzin

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) stoppte am 4. April die geplante Verdoppelung der Beimischung von Biosprit zum Benzin, weil die Zahl der Autos, die mit diesem Kraftstoff nicht zurecht kämen, viel zu niedrig angesetzt worden war. Im Jahr vor den Bundestagswahlen will sich die Bundesregierung nicht den Zorn von Millionen Autofahrern zuziehen, die dann gezwungen wären, einen besonders teuren Spezial-Kraftstoff zu tanken. Es bleibt deshalb beim gegenwärtigen Biosprit-Anteil von maximal fünf Volumenprozent für Benzin. An der Erhöhung der Beimischung von Biodiesel zu Diesel wird aber festgehalten, da es hier keine technischen Probleme gebe.

Die Erhöhung der Mindestbeimischung von Biokraftstoffen zu Benzin und Diesel ist Bestandteil der 14 Gesetzesvorhaben zum Klimaschutz, die das Kabinett im Dezember 2007 beschloß (071204). Demnach soll in der Kraftstoffqualitätsverordnung die Beimischungsgrenze von Bioethanol in Ottokraftstoffen von bisher fünf auf zehn und von Biodiesel im Dieselkraftstoff von bisher fünf auf sieben Volumenprozent erhöht werden. Ferner soll durch Änderung des Biokraftstoffquotengesetzes die Mindestbeimischung von Biokraftstoffen zu Benzin und Diesel bis 2020 auf etwa zwanzig Volumenprozent bzw. einen Energieanteil von 17 Prozent steigen.

"Die Umweltpolitik wird nicht die Verantwortung dafür übernehmen, dass Millionen von Autofahrern an die teuren Super-Plus-Zapfsäulen getrieben werden", begründete Gabriel den Rückzieher beim Benzin. Bei den Beratungen über die Verordnung seien die Hersteller nur von insgesamt rund 375.000 betroffenen Fahrzeugen ausgegangen. Inzwischen habe die Autoindustrie jedoch neue Angaben über die Zahl der Kraftfahrzeuge gemacht, die nicht für den höheren Biosprit-Anteil geeignet sind. Demnach müßten zwar lediglich 189.000 deutsche Pkw auf die teurere Sorte "Super-Plus" umsteigen, aber bei ausländischen Marken wären nach Angaben des Verbands der Importeure über drei Millionen Fahrzeuge betroffen.

Bisher ist bis 2015 eine Gesamtquote von acht Prozent für Benzin und Diesel vorgeschrieben

In ihrem Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 (051102) hatten Union und SPD unter Punkt 5.3 vereinbart, den Anteil von Biokraftstoffen am gesamten Kraftstoffverbrauch bis zum Jahr 2010 auf 5,95 Prozent zu steigern und die Mineralölsteuerbefreiung für Biokraftstoffe durch eine Beimischungspflicht zu ersetzen. Nach Protesten der Branchenverbände wurde dieser Passus dahingehend geändert, daß es weiterhin eine Steuerbegünstigung für reine Biokraftstoffe gibt und lediglich die beigemischten Mengen der vollen Versteuerung unterliegen (051102). Die Umsetzung der neuen Beschlußlage erfolgte durch ein Artikelgesetz, das am 1. August 2006 in Kraft trat und in Artikel 1 das das bisherige Mineralölsteuergesetz durch ein "Energiesteuergesetz" ersetzte, während Artikel 2 das Stromsteuergesetz novellierte. Außerdem verabschiedete der Bundestag am 26. Oktober 2006 das Biokraftstoffquotengesetz.

Durch das Biokraftstoffquotengesetz wurde die Höhe der Quote - bezogen auf den Energiegehalt - ab 2007 für Diesel auf 4,4 Prozent und Ottokraftstoff auf 1,2 Prozent festgelegt. Für Ottokraftstoff erhöht sich die Quote in den Folgejahren auf 2,0 Prozent im Jahr 2008, 2,8 Prozent im Jahr 2009 und 3,6 Prozent im Jahr 2010. Ab 2009 wird darüber hinaus eine Gesamtquote für beide Kraftstoffe in Höhe von 6,25 Prozent eingeführt, die in den folgenden Jahren stufenweise bis 2015 auf 8 Prozent erhöht wird. Die Mindestquoten für Otto- und Dieselkraftstoff bleiben dabei erhalten.

Darüber hinaus gewährt das Energiesteuergesetz bis Ende 2011 weiterhin eine degressiv gestaffelte steuerliche Begünstigung für reines Pflanzenöl und reinen Biodiesel, die nicht von der Quote erfaßt werden (zuvor war diese Steuerbegünstigung bis Ende 2009 befristet.) Biokraftstoffe der "zweiten Generation" (Biogas und reines Bioethanol) werden bis 2015 unter Berücksichtigung der Überkompensationsregelung und damit degressiv steuerbegünstigt. Derzeit wird keine Steuer erhoben.

Gabriel gibt dem Bundestag die Schuld an überzogenen Quoten für die Beimischung

Nach seinem Rückzieher beim Benzin legte Bundesumweltminister Gabriel Wert auf die Feststellung, daß der ursprüngliche Gesetzesentwurf seines Ministeriums zur Umsetzung des Klimapakets vom Dezember 2007 (071204) eine energetische Gesamtquote von 5,7 Prozent für 2009 und von 6,0 Prozent für 2010 vorgesehen habe. Für die weiteren Jahre seien keine Quotenerhöhungen geplant gewesen. Der Bundestag habe dann aber bei der endgültigen Beschlußfassung über das Gesetz die energetischen Quoten für 2009 auf 6,25 Prozent und für 2010 auf 6,75 Prozent erhöht. Sowohl beim Ottokraftstoff als auch in Bezug auf die Gesamtquote sei das gegenüber dem Regierungsentwurf eine deutliche Steigerung. Außerdem hätten sich alle Parteien des Bundestags gegen das ausdrückliche Votum des Bundesumweltministeriums und des Bundeskabinetts für eine Verlängerung der steuerlichen Förderung von "Biokraftstoffen der ersten Generation" ausgesprochen, um noch mehr Biokraftstoffanlagen in Deutschland und eine noch größere Menge von Biokraftstoffen zu erreichen. Die Hinweise auf den begrenzten ökologischen Nutzen der ersten Biokraftstoffgeneration oder auf die Nutzungskonkurrenzen zu Nahrungsmitteln seien dabei weitgehend ignoriert worden.

"Euphorie scheint in Verteufelung umgeschlagen zu sein"

Die Biosprit-Pläne der Bundesregierung sind nicht nur wegen der technischen Probleme mit Ottomotoren ins Visier der Kritik geraten. Zunehmend werden auch Zweifel laut, ob es sinnvoll ist, den Anbau nachwachsenden Rohstoffe zur Energiegewinnung derart zu fördern. Bundesumweltminister Gabriel konstatierte deshalb am 4. April vor der Bundespressekonferenz: "Die bis noch vor wenigen Monaten kaum zu überbietende Euphorie in der Umweltpolitik, der Agrarbranche und in der Automobilindustrie scheint öffentlich in eine völlige Verteufelung umgeschlagen zu sein."

Die Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen erfreute sich tatsächlich lange Zeit einer unkritischen Begeisterung, bis hin zu naiven Patentrezepten, wie sie der Journalist Franz Alt mit seinem Buch "Schilfgras statt Atom" propagierte. Eine differenziertere Sichtweise zeichnet sich erst ab, nachdem vor einem Jahr bekannt wurde, daß die vom EEG geförderte Verstromung von Biokraftstoffen eher kontraproduktive Wirkungen zeitigt: Zum einen stimuliert sie den Import von Palmöl und eine Ausweitung der dafür benötigten Anbauflächen in Übersee, was dort zur Abholzung von Regenwäldern führt. Zum anderen hat auch die eigentlich damit beabsichtigte Förderung der Gewinnung inländischen Rapsöls nachteilige Folgen, da die Umstellung des landwirtschaftlichen Pflanzenanbaues auf die profitablere Energiegewinnung die viehwirtschaftlichen Betriebe mit steigenden Futterkosten belastet und letztendlich einen Anstieg der Lebensmittelpreise bewirkt (070310).

Der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen (SRU) warnte deshalb bereits im Juli 2007 davor, eine möglichst hohe Beimischung von Biosprit in Kraftstoffen anzustreben. Das begrenzte Potential an Biomasse werde besser zur Wärmeerzeugung und in Kraft-Wärme-Kopplung eingesetzt. Es dürfe nur unter dem Aspekt des Klimaschutzes und nicht zur Förderung des ländlichen Raums verwendet werden. (FAZ, 13.7.07)

Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichte am 12. September 2007 eine Studie, wonach Biosprit die Lebensmittelpreise in die Höhe treibt und außerdem der Umwelt schaden kann. Sie appellierte an die Regierungen, diesbezügliche Subventionen zu streichen und stattdessen in die Forschung zu stecken. (SZ, 12.9.07)

Die EU-Kommission kürzte im Oktober 2007 die Subventionen für den Anbau von Energiepflanzen, weil die dafür benötigten Flächen binnen drei Jahren um das Neunfache gestiegen waren: Hatten die Landwirte 2004 Hilfen für 300.000 Hektar beantragt, so waren es für 2007 schon rund 2,84 Millionen Hektar. Die Kommission verwies außerdem auf den Mindestanteil von zehn Prozent am Kraftstoffverbrauch, den sie selbst vorgeschlagen hatte (070102) und den die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel im März 2007 verbindlich machten (070306). Die EU müsse sich nun die Frage stellen, ob die weitere Gewährung von direkten Beihilfen für den Energiepflanzen-Anbau überhaupt noch sinnvoll sei. (FAZ, 18.10.07)

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