Juli 2007

070705

ENERGIE-CHRONIK


Berlin, den 3. Juli 2007

Ergebnisse des dritten Energiegipfels

Grundlagen für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm


Beim dritten und abschließenden Energiegipfel auf Einladung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel haben Wirtschaft, Wissenschaft und Politik heute wichtige Grundlagen für ein energie- und klimapolitisches Programm der Bundesregierung gelegt. Es bestand Übereinstimmung, dass das Programm an den drei energiepolitischen Zielen der Versorgungssicherheit, der Wirtschaftlichkeit und der Umweltverträglichkeit auszurichten ist. Energiepolitik muss dabei stets auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland und seiner Unternehmen im Blick haben. Die Teilnehmer waren sich ebenfalls einig, dass das Programm auch den berechtigten Interessen von Verbrauchern und mittelständischer Wirtschaft Rechnung zu tragen hat.

Der Gipfel fand in einem Umfeld statt, das sich seit dem ersten Energiegipfel im April 2006 auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene in wesentlichen Punkten fortentwickelt hat:

• Beim G8-Gipfel in Heiligendamm ist es gelungen, Bewegung in die internationale Debatte zum Thema Klimaschutz zu bringen. Als langfristige Orientierung wird nun das Ziel in den Blick genommen, die CO2-Emissionen im weltweiten Maßstab bis 2050 mindestens zu halbieren.

• Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben im März 2007 zentrale Weichenstellungen in der Energie- und Klimapolitik vorgenommen. Danach wird die EU bis zum Jahr 2020 die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um mindestens 20 % senken, im Rahmen einer internationalen Klimavereinbarung sogar um 30 %. Bis 2020 soll der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch auf 20 % erhöht und der Energieverbrauch gegenüber der Referenzprognose um 20 % gesenkt werden. Außerdem soll die CO2-Abtrennung und –Speicherung bis 2020 marktfähig sein.

• Auf nationaler Ebene wird unter anderem mit der Kartellgesetznovelle sowie der Anreizregulierungs- und Kraftwerksanschlussverordnung der Wettbewerb in der Stromwirtschaft spürbar gefördert - Unternehmen und Verbraucher werden durch insoweit niedrigere Strompreise davon profitieren.

Die Gipfelteilnehmer stellten fest, dass wesentliche energiepolitische Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene zu entscheiden seien. Die Bundeskanzlerin betonte, dass sich die Bundesregierung in der EU nachdrücklich für eine schnelle Klärung offener Fragen einsetzen werde (z.B. Fortentwicklung des Emissionshandels, Schaffung von Rahmenbedingungen für die CO2-Abtrennung und -Speicherung, praktikable Lösungen für die Energienetze ohne eigentumsrechtliche Entflechtung).

Energieszenarien bis 2020

Der dritte Energiegipfel hat vor diesem Hintergrund Perspektiven für einen ausgewogenen Energiemix in Deutschland bis zum Jahre 2020 erörtert. Grundlage für die Diskussion waren drei Energieszenarien, die von der Prognos AG und dem Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln (EWI) im Auftrag der Bundesregierung erstellt worden sind:

• Ein Szenario auf Basis der Ziele des Koalitionsvertrages (KV) einschließlich Verdopplung der Energieproduktivität, Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien, Fortentwicklung des Emissionshandels.

• Eine Erneuerbares-Energien-Szenario (EE), das zusätzlich einen gegenüber dem KV-Szenario verstärkten Ausbau regenerativer Energien vorsieht.

• Ein Kernenergie-Szenario (KKW), das gegenüber dem KV-Szenario eine Ver- längerung der Laufzeiten der derzeit am Netz befindlichen Kernkraftwerke um 20 Jahre zugrunde legt. Folgende Entwicklungspfade wichtiger energie- und klimapolitischer Daten lassen sich aus den Szenarien ableiten:

• Der Primärenergieverbrauch sinkt in allen Szenarien bis 2020 in Größenordnungen zwischen 13 % (KKW) und 16 % bis 17 % (EE, KV). Rückgänge verzeichnet durchgängig auch der Gasverbrauch, am stärksten im KKW-Szenario.

• In der Stromerzeugung nimmt der Anteil von Gas in allen Szenarien deutlich zu, am geringsten im Szenario KKW. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung der Kohle, insbesondere der Steinkohle ab, am deutlichsten im Szenario KKW.

• Der Rückgang der energiebedingten Treibhausgas-Emissionen fällt mit gut 45 % im KKW-Szenario am deutlichsten aus. In den KV- und EE-Szenarien liegt er bei rund 39 % bzw. 41 %.

• Die Kosten der gesamtwirtschaftlichen Energieversorgung differieren zwischen den Szenarien. Sie liegen im Jahre 2020 im EE-Szenario um 4,1 Mrd € über denen des KV-Szenarios. Im KKW-Szenario liegen sie um etwa 1,2 Mrd € pro Jahr unter den im KV-Szenario errechneten Kosten.

• Im Vergleich zum KV-Szenario sind die Strompreise im EE-Szenario höher (bei privaten Haushalten um etwa 5 %), im KKW-Szenario hingegen niedriger (bei privaten Haushalten Senkung um über 6 %).

In Bezug auf den Energiemix betonten die Vertreter der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie die Bedeutung der grundlastfähigen Energieträger Kernenergie und Kohle für die deutsche Energieversorgung. Die Szenarien zeigten, dass eine Laufzeitverlängerung der bestehenden Kernkraftwerke anspruchsvollere Klimaschutzziele erlaube, die Versorgungssicherheit stärke und sowohl die CO2-Vermeidungskosten als auch die Strompreise senke.

Vor allem die Vertreter der erneuerbaren Energien wiesen darauf hin, dass diese einen unverzichtbaren und steigenden Beitrag zum Klimaschutz und zur Versorgungssicherheit leisteten, ein weiterer ambitionierter Ausbau volkswirtschaftlich sinnvoll sei und Deutschland über ausreichende Potenziale für einen angemessenen Beitrag zur Erreichung der EU-Ziele verfüge.

Vor dem Hintergrund der für Unternehmen und private Haushalte gleichermaßen wichtigen Versorgungssicherheit bestand Einigkeit, dass eine Diversifizierung der Energiequellen unter Nutzung auch heimischer Ressourcen einen hohen Stellenwert hat.

In der Diskussion der Gipfelteilnehmer wurde deutlich, dass der Steigerung der Energieeffizienz angesichts der Zielvorgaben und bestehenden Potenziale eine zentrale Bedeutung sowohl für den Klimaschutz als auch für die Versorgungssicherheit zukommt. Unterschiedlich beurteilt wurde, ob und wie schnell diese Potenziale genutzt werden können. Insgesamt wurde die in der Koalitionsvereinbarung vorgesehene Verdopplung der Energieproduktivität bis 2020 gegenüber 1990 als sehr ambitioniertes Ziel bewertet, das nur durch sehr große Anstrengungen erreichbar ist.

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel: „Die Szenarien für die energiewirtschaftliche Entwicklung bis 2020 zeigen, dass anspruchsvolle Klimaschutzziele gemeinsam mit einer sicheren und wirtschaftlichen Energieversorgung nur erreichbar sind, wenn wir alle Handlungsoptionen konsequent nutzen: Wir brauchen eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz. Wir brauchen einen ausgewogenen wirtschaft- lichen und klimafreundlichen Energiemix. Und wir müssen die große technologische Leistungsfähigkeit der deutschen Energiewirtschaft und Industrie - beispielsweise bei hocheffizienten Kraftwerken auf Kohle- und Gasbasis, bei den erneuerbaren Energien und bei Effizienztechnologien - konsequent nutzen. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Jetzt kommt es darauf an, die richtigen Schlüsse zu ziehen.“

Wesentliche Handlungsfelder

Zu den anstehenden Aufgaben haben die im Energiegipfelprozess eingesetzten drei Arbeitsgruppen zu internationalen Aspekten, nationalen Herausforderungen sowie Forschung und Energieeffizienz Ergebnisberichte vorgelegt. Die Teilnehmer stimmen darin überein, dass ein Zusammenwirken von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik erforderlich ist, um die energie- und klimapolitischen Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

Wesentliche Handlungsfelder, die sich in den Diskussionen der Arbeitsgruppen und im Spitzengespräch herauskristallisiert haben, umfassen folgende Punkte:

• Von zentraler Bedeutung für eine wirtschaftliche und klimafreundliche Energie- versorgung ist eine Verbesserung der Energieeffizienz. Die Arbeitsgruppe 3 hat dazu ein umfassendes Aktionsprogramm mit konkreten Maßnahmenvorschlägen in allen wichtigen Bereichen - Wärme, Strom und Verkehr - vorgelegt. Grundlage ist das Ziel der Koalitionsvereinbarung, die Energieproduktivität zu verdoppeln. Die Bundesregierung wird diesen Vorschlag in ihrer weiteren Arbeit aufgreifen.

• Die Bundesregierung wird mit einer Exportinitiative Energieeffizienz die internationale Verbreitung leistungsstarker deutscher Energietechnologien beschleunigen.

• Im Interesse einer langfristigen Perspektive für die Energieforschung wird die Bundesregierung den Vorschlag für eine Roadmap Energieforschung aufgreifen. Dasselbe gilt für weitere Empfehlungen, etwa zu Leuchtturmprojekten, darunter ein Offshore-Testfeld Windenergie.

• Die Zukunftstechnologie der CO2-Abtrennung und –Speicherung muss durch zügige Erarbeitung der rechtlichen Rahmenbedingungen auf europäischer und nationaler Ebene, Exploration geeigneter geologischer Lagerstätten und Beiträge der Energieforschung vorangebracht werden.

• Es besteht ein gemeinsames Interesse, den Wettbewerb auf den Energiemärkten zu stärken. Hierzu gehören die Umsetzung der Kartellgesetznovelle, der Anreizregulierungs- und Kraftwerksanschlussverordnung.

• Die Bundesregierung wird die Gestaltung der europäischen Rahmenbedingungen aktiv begleiten. Dabei geht es unter anderem um die folgenden Handlungsfelder:

– Eine faire Lastenverteilung bei der Ableitung nationaler Ziele aus den Beschlüssen des Europäischen Rates vom März 2007.

– Die Neufassung der CO2-Grenzwerte für PKW. Nach Auffassung von Automobilindustrie und Bundesregierung soll dadurch für 2012 ein europäischer Flottendurchschnitt von 130 g CO2/km für Neuwagen realisiert werden, um im Rahmen eines integrierten Ansatzes eine Emissionsminderung auf 120 g CO2/km zu erreichen.

– Den auf europäischer Ebene progapierten Ansatz, mehr Wettbewerb in den Versorgungsnetzen durch eigentumsrechtliche Entflechtung der Energieversorger zu erreichen, der für die betroffenen Unternehmen zu unvertretbar hohen Belastungen führen würde. Dieser Ansatz weist eine deutlich zu hohe Eingriffsintensität auf.

– Die Weiterentwicklung des europäischen Rahmens für den Emissionshandel, um seine Funktionsfähigkeit zu verbessern.

Integriertes Energie- und Klimaprogramm

Der Energiegipfelprozess hat wichtige Grundlagen für die Energie- und Klimapolitik der Zukunft geschaffen. Nun gilt es, die gewonnen Erkenntnisse umzusetzen. Unternehmen und private Haushalte müssen sich auch künftig auf eine sichere und kostengünstige Energieversorgung verlassen können. Sie brauchen stetige Rahmenbedingungen für ihre Investitionsentscheidungen.

Bundeskanzlerin Merkel: „Die Bundesregierung wird unmittelbar nach der Sommerpause Eckpunkte für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm mit einem konkreten Maßnahmenkatalog und einem klaren Fahrplan entwickeln. Ein fester Platz für grundlastfähige Energiequellen im Energiemix der Zukunft, mehr Energieeffizienz und Kraft-Wärme-Kopplung, ein Zubau an erneuerbaren Energien und moderne Energietechnologien wie Clean Coal und Abtrennung und Speicherung von CO2 sind dabei wichtige Ziele. Wir werden die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der Maßnahmen im Rahmen eines Monitoring regelmäßig überprüfen. Dabei werden wir auch den Sachverstand von Wirtschaft, Verbrauchern und Wissenschaft einbeziehen. Mit diesem Programm greifen wir die Herausforderung des Klimawandels auf und bieten zugleich eine wirtschaftlich tragfähige Perspektive für die Erzeuger und Verbraucher von Energie in Deutschland.“