Januar 2007

070108

ENERGIE-CHRONIK


Brüssel ahndet Kartell bei Netztechnik mit Bußgeld von 750 Millionen Euro

Die EU-Kommission hat ein Kartell zerschlagen, mit dem führende Netztechnik-Hersteller seit den achtziger Jahren überhöhte Preise für gasisolierte Schaltanlagen (GIS) kassierten. Wie sie am 24. Januar mitteilte, hat sie deshalb gegen insgesamt elf Konzerne Geldbußen in einer Gesamthöhe von 750.712.500 Euro verhängt. Mehr als die Hälfte davon - 396.562.500 Euro - muß der Siemens-Konzern bezahlen, der mit Alstom und Areva die führende Rolle in dem Kartell gespielt hat. Hinzu kommen 22 Millionen Euro für das österreichische Unternehmen VA Tech, das inzwischen von Siemens übernommen wurde. Die übrigen Beteiligten waren ABB, Fuji, Hitachi Japan AE Power Systems, Mitsubishi Electric Corporation, Schneider und Toshiba.

ABB erstattete Selbstanzeige und sicherte sich damit Straffreiheit

Die Beweisunterlagen der Kommission umfassen rund 25.000 Seiten. Das Kartell bestand demnach spätestens seit 1988 und endete erst im Mai 2004, nachdem die Kommission die Geschäftsräume von Beteiligten durchsucht hatte, um zusätzliches Beweismaterial zu sichern. Die Untersuchung war 2002 in Gang gekommen, nachdem der ABB-Konzern Selbstanzeige erstattet hatte. ABB kam dadurch in den Genuß einer von der Kommission erlassenen "Kronzeugenregelung" und braucht deshalb die an sich fällige Geldbuße, die in seinem Fall 215.156.250 Euro betragen hätte, nicht zu bezahlen.

Die Kartellmitglieder unterrichteten sich gegenseitig über Ausschreibungen für gasisolierte Schaltanlagen (GIS) und koordinierten ihre Gebote, um jedem Kartellmitglied den ihm aufgrund der vereinbarten Quote zustehenden Anteil an Projekten zu sichern. Ferner vereinbarten sie, daß die japanischen Unternehmen nicht in Europa und die europäischen Unternehmen nicht in Japan verkaufen. Die Kartellmitglieder trafen sich regelmäßig. Dabei wurden auf Führungsebene strategische Fragen erörtert, während auf niedrigerer Ebene Projekte aufgeteilt und für die Unternehmen, die bei den entsprechenden Aufträgen leer ausgehen sollten, Scheinangebote vorbereitet wurden, um den Eindruck echten Wettbewerbs zu erwecken.

Wie es in der Mitteilung der EU-Kommission weiter heißt, verwendeten die Kartellmitglieder "ausgeklügelte Mittel, um ihre Fühlungnahmen zu verbergen". So wurden sowohl für die Unternehmen als auch für einzelne Personen Codenamen verwendet. In den letzten Jahren des Kartells kommunizierten die Mitglieder über anonyme E-Mail-Adressen mittels verschlüsselter Botschaften.

Es ist die bislang höchste Geldbuße in einer Kartellsache. Zugleich ist die Buße gegen Siemens die höchste, die bisher gegen ein Unternehmen für einen einzelnen Kartellrechtsverstoß verhängt wurde.

"Verbraucher mehr als 16 Jahre lang betrogen"

Das für Wettbewerb zuständige Kommissionsmitglied Neelie Kroes kommentierte die Geldbuße mit folgenden Worten: "Die Kommission hat ein Kartell beseitigt, das die öffentlichen Versorgungsunternehmen und die Verbraucher mehr als 16 Jahre lang betrogen hat, und damit erneut unter Beweis gestellt, daß sie nicht bereit ist, Kartelle und den durch sie bewirkten Schaden für die europäische Wirtschaft ungestraft zu lassen. Die Kommission hat auch gezeigt, daß sie in der Lage ist, selbst gegen Kartelle vorzugehen, die ihre Tätigkeiten mit modernsten Techniken verschleiern".

Auch den Stromkonzernen drohen drastische Geldbußen

In Kürze dürfte die Kommission ähnliche Geldbußen gegen führende Stromkonzerne verhängen, die ihrerseits "Opfer" des Netztechnik-Kartells waren. Wie die Wirtschaftswoche (13. u. 17.1.) berichtete, fanden sich bei den Razzien in deutschen Stromkonzernen (061205) Beweise dafür, daß die Unternehmen die rechtliche Entflechtung von Stromproduktion, -transport und -vertrieb nur auf dem Papier vollzogen haben. So gehe aus sichergestellten internen Dokumenten hervor, daß die Netzunternehmen ihre Investitionen danach kalkulierten, welche Folgen sich daraus auf die Vertriebsunternehmen ergeben.

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