August 2006

060806

ENERGIE-CHRONIK


Bundesrat soll Gesetzentwurf zur Verlängerung der Tarifaufsicht vorlegen

Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) wird in Kürze einen Gesetzentwurf zur Verlängerung der Tarifaufsicht für Strompreise vorlegen, der dann als Bundesratsinitiative ins Parlament eingebracht wird. Sie will damit verhindern, daß Haushalte und Kleingewerbe schutzlos den Preiserhöhungen der Versorger ausgesetzt sind, wenn zum 1. Juli 2007 die Bundestarifordnung Elektrizität außer Kraft tritt, wie dies bisher das Zweite Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts in Artikel 5, Abs. 2 vorsieht.

Thoben begründete ihren Vorstoß am 29. August 2006 mit den derzeit in ihrem Ministerium eingehenden Anträge auf Strompreiserhöhungen, die "überdeutlich belegen, daß wir von einem funktionierenden Wettbewerb noch weit entfernt sind". Die Ziele, die sich die alte Bundesregierung mit dem Energiewirtschaftsgesetz vom Juli 2005 gesetzt habe, seien bisher nicht erreicht worden . Man müsse deshalb unverzüglich handeln, "um das Schlimmste für die Verbraucher zu verhindern".

Kieler Landesregierung ebenfalls für Verlängerung

Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sprach sich für eine Verlängerung der Tarifaufsicht aus. "Die jüngsten Ankündigungen weiterer Energiepreiserhöhungen zeigen, dass hier Transparenz notwendig ist, Deutschland hat bereits mit die höchsten Strompreise in Europa", sagte Carstensen am 23. August 2006 in Kiel. Dem Verbraucher in Deutschland fehle jegliches Verständnis dafür, dass die Konzerne Rekordgewinne melden, die sie in teure Zukäufe im Ausland investieren, während hierzulande immer kräftiger an der Preisschraube gedreht werde. Hohe Strompreise seien ein Hemmnis für mehr Wachstum und Beschäftigung.

Verbraucherzentralen befürchten "Mondpreise bei der Erzeugung"

Am 25. August forderte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) den Bundeswirtschaftsminister Glos (CSU) zurauf, das Energierecht so zu revidieren, daß die Tarifaufsicht bestehen bleibt. Zugleich verlangte der vzbv die Einführung einer entsprechenden Genehmigung der Gaspreise für Haushaltskunden, da vor allem die Öffnung des Gasmarktes praktisch auf der Stelle trete. Bei der Verabschiedung des neuen Energierechts im vergangenen Jahr sei man von der falschen Voraussetzung ausgegangen, daß mit der Regulierung des Energiemarktes durch die Bundesnetzagentur mehr Wettbewerb bei Strom und Gas geschaffen und deshalb eine Genehmigung der Stromtarife nicht mehr notwendig sein würde. In Wirklichkeit könne aber von echtem Wettbewerb vor allem beim Gas keine Rede sein. Nach wie vor dominierten die alten Anbieter den Markt und behinderten neue Konkurrenten mit ihrem Zugriff auf die Netze. Offenbar wollten die Energiekonzerne die bevorstehende Senkung der Strom-Netzentgelte durch ein Abwälzen angeblich höherer Erzeugungskosten auf die Verbraucher kompensieren. "Es darf nicht sein, dass sinkende Gewinne in den Netzen durch Mondpreise bei der Erzeugung ausgeglichen werden", erklärte die vzbv-Chefin Edda Müller.

Baden-Württemberg verteidigt Verzicht auf Tarifgenehmigung

Die Stuttgarter Landesregierung, die Ende 1999 im Alleingang die Genehmigungspflicht für Stromtarife aufhob (991217), hält diese vielfach kritisierte Entscheidung (040208) weiterhin für richtig. Jedenfalls äußerte sich der amtierende Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) in diesem Sinne, nachdem der baden-württembergische SPD-Generalsekretär Jörg Tauss der Landesregierung am 22. August vorgeworfen hatte, mit der vorbehaltlosen Akzeptierung der neuesten Strompreiserhöhungen (060606) die "Abzocke" der Verbraucher durch die Energiekonzerne zu unterstützen. "Überall müssen bundesweit die Energiekonzerne ihre Preise offen legen - nur nicht in Baden-Württemberg", stellte Tauss fest. "Hier feiert die Kumpanei zwischen CDU und den Preistreibern zu Lasten der Menschen im Land fröhlich Urständ."

Pfister verwies dagegen erneut auf die "Wahlfreiheit" der Kunden, die es diesen ermögliche, im Rahmen des Wettbewerbs sich für günstigere Angebote zu entscheiden. Außerdem berief er sich darauf, daß die Bundestarifordnung Elektrizität zum 1. Juli 2007 ohnehin außer Kraft treten werde. "Bund und Länder haben dies so geregelt, weil sie - so wie wir auch - der Ansicht sind, dass die alte Strompreisgenehmigung kein zukunftsfähiges Instrument der Kontrolle ist. Wenn Herr Tauss dies anders sieht, frage ich mich, warum er dies nicht öffentlich stärker deutlich gemacht hat, bevor die entsprechende Regelung von der alten rot-grünen Bundesregierung auf den Weg gebracht wurde."

Ungewißheit über Wirksamwerden der Anreizregulierung

Inzwischen zeichnet sich ab, daß die sogenannte Anreizregulierung, die ein wesentliches Argument für den bevorstehenden Wegfall der Tarifaufsicht war, möglicherweise nicht zum vorgesehenen Termin am 1. Januar 2008 in Kraft treten kann. Nach Ansicht von Rechtsexperten müßte die einschlägige Verordnung sechs Monate vorher in Kraft treten, was wiederum voraussetzt, daß der Bundesrat bis Frühjahr 2007 zustimmt. Wenn die Einigung innerhalb dieser Frist nicht gelingt, würde sich der Beginn der Anreizregulierung um ein Jahr verschieben.