Juni 2006

060609

ENERGIE-CHRONIK


Strebe aus Thomasstahl löste Zusammenbruch von Hochspannungsmasten aus

Die Bundesnetzagentur veröffentlichte am 8. Juni das Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) zum Stromausfall im Münsterland, dessen Inhalt bereits im April inoffiziell bekannt geworden war (060409). Das Gutachten kommt zu dem Schluß, dass die Wetterbedingungen am 25. November 2005 ein sehr seltenes Ereignis darstellten und die Freileitungen des Hochspannungsnetzes mit Naßschnee so belasteten, daß die Auslegungsnormen der Freileitungen deutlich überschritten waren. In dieser überlasteten Situation sei an einem Winkelabspannmast an der Leitung Gronau - Coesfeld (siehe Bild und Karte) eine aus Thomasstahl gefertigte Diagonale spröde gebrochen. Durch dieses "Primärversagen" sei dieser umgestürzt und habe den kaskadenartigen Umbruch der benachbarten Tragmaste ausgelöst. Das Umbrechen des Winkelabspannmasts und der Dominoeffekt bei den Tragmasten an der Leitung Gronau - Coesfeld läßt sich nach Einschätzung der BAM auf alle Schadensstellen übertragen. Es sei jedoch keine Korrosion an den untersuchten Masten gefunden worden, so daß sich kein Ansatzpunkt für eine unzureichende Wartung ergeben habe.

Die Bundesnetzagentur hält aufgrund der Ergebnisse der Untersuchungen eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit durch Thomasstahlmasten für möglich und eine Sanierung im Rahmen wirtschaftlich zumutbarer Programme für notwendig. Um die Sicherheit der Stromversorgung zu verbessern, empfiehlt sie ferner den Netzbetreibern, alle erforderlichen Informationen über Entstörmaterialien und Notstromaggregate gemeinsam in einem zentralen Register zusammenzustellen, um diese Informationen für alle Netzbetreiber jederzeit abrufbereit zu haben. Die Normung des Freileitungsbaus müsse dahingehend überprüft werden, ob die Wetterereignisse der letzten Jahre nicht zu einer Anpassung der zu berücksichtigenden Zusatzlasten aus Wind und Eis sowie der regionalen Zuordnung der Eislastzonen führen müssen. Für die teilweise über 80 Jahre alten Masten müsse das zuständige Normungsgremium – die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE (DKE) – klären, welche Norm im Falle einer Sanierung anzuwenden ist.


Auf diesen abgeknickten Winkelabspannmast M 65, der bei Nünning an der Leitung Gronau - Coesfeld den Umbruch von acht benachbarten Masten auslöste, konzentrierten sich die Untersuchungen der Bundesanstalt für Materialforschung. Auslöser war demnach eine der rot markierten Diagonal-Verstrebungen aus Thomasstahl. Der aus dem Jahr 1960 stammende Mast war an dieser Stelle bereits saniert worden. Das Ergebnis läßt sich auf andere Schadensstellen übertragen.

(Aus dem Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung, S. 127)


Lage der umgestürzten oder beschädigten Hochspannungsmaste (110 kV) in den Kreisen Borken und Steinfurt (Seite 5 der Kurzfassung des im Auftrag von RWE Westfalen-Weser-Ems AG erstellten Gutachtens)