August 2000

000801

ENERGIE-CHRONIK


Streit um Verkauf der E.ON-Anteile an der Berliner Bewag

Die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) teilten am 9.8. überraschend mit, dass sie am selben Tag die Übernahme einer 49prozentigen Beteiligung an der Berliner Bewag von der E.ON Energie AG vereinbart hätten. Hauptaktionär der HEW ist seit einem halben Jahr der schwedische Stromkonzern Vattenfall (991101 u. 000406). Die geplante Übernahme der Bewag durch HEW/Vattenfall ist ferner vor dem Hintergrund des anstehenden Eigentümerwechsels beim ostdeutschen Verbundunternehmen Veag zu sehen: Bisher wollte der US-Konzern Southern Energy die Mehrheit an der Bewag übernehmen, an der er mit 26 Prozent als zweiter Großaktionär neben der E.ON Energie beteiligt ist, um dann im nächsten Schritt über die Bewag bei der Veag einzusteigen (991105 u. 000107). Wenn die E.ON Energie nun aber ihr Bewag-Aktienpaket an die HEW verkauft, die mit Vattenfall und dem amerikanischen Energiekonzern NRG Energy ein gemeinsames Bieterkonsortium für die Veag gebildet haben (000605), wird diese Strategie hinfällig.

Southern und Senat leisten heftigen Widerstand

Der vereinbarte Eigentümerwechsel bei der Bewag stößt deshalb beim Mitaktionär Southern Energy auf heftigen Widerstand. Er beruft sich auf den Konsortialvertrag über die Bewag, aus dem hervorgehe, daß E.ON sein Paket nicht ohne die Zustimmung des amerikanischen Partners verkaufen dürfe. Er erhielt dabei Schützenhilfe vom Berliner Senat, der den Privatisierungsvertrag über die Bewag von 1997 verletzt sah. Ein Gespräch zwischen Finanzsenator Peter Kurth und Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (beide CDU) mit E.ON Energie-Chef Hans-Dieter Harig und HEW-Chef Manfred Timm verlief am 16.8. ergebnislos. Sowohl der Senat als auch Southern erwirkten beim Landgericht Berlin den Erlaß von einstweiligen Verfügungen, mit denen der Verkauf untersagt wurde. Hinter den Kulissen gab es zugleich Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung, die z.B. alle Kontrahenten an einer künftigen "vierten Macht" auf dem deutschen Strommarkt beteiligen könnte. Der Präsident des US-Konzerns Southern Energy, Bill Dahlberg, reiste Ende August zu entsprechenden Verhandlungen nach Berlin.

Laut Financial Times Deutschland (23.8.) intervenierte sogar die US-Botschaft in Berlin bei der Bundesregierung zugunsten von Southern Energy. Die Bundesregierung habe indessen deutlich gemacht, dass sie niemanden favorisieren wolle. Bei der späteren Übernahme der Veag werde sie gegenüber jedem Erwerber darauf bestehen, dass er die Abnahme von jährlich 50 Milliarden Kilowattstunden aus ostdeutschen Braunkohle-Kraftwerken zusage (vgl. 000605). Wie dagegen die Berliner Zeitung (30.8.) berichtete, will die US-Regierung nicht einseitig Partei für Southern ergreifen, weil auf der anderen Seite mit NRG Energy als Partner von HEW und Vattenfall ebenfalls ein amerikanischer Konzern an dem Streit um die künftige "vierte Macht" auf dem deutschen Strommarkt beteiligt sei.

EnBW sieht neue Situation für Veag-Verkauf

Aus Sicht der Energie Baden-Württemberg (EnBW) ergäbe der Verkauf der Bewag-Mehrheit an die HEW eine neue Situation für die Zukunft des ostdeutschen Verbundunternehmens Veag. Die EnBW könne nun als Interessent für die Veag nicht mehr ausgeschlossen werden. "Wenn der Konzern Vattenfall-HEW-Bewag zustande kommt, ist das Ziel der Kartellbehörden, eine vierte Kraft in der Bundesrepublik zu etablieren, auch ohne Einbeziehung der Veag erreicht", erklärte der EnBW-Vorstandsvorsitzende Gerhard Goll. "Die bisherige Position der Kartellbehörden, die EnBW aus dem Bewerberkreis um die Veag auszuschließen, ist nicht mehr haltbar."

Bei dem Aktienpaket der E.ON Energie handelt es sich um die früheren Beteiligungen von Bayernwerk (26 %) und PreussenElektra (23 %) an der Bewag, die mit insgesamt 52,5 % Stimmrechtsanteilen verbunden sind (vgl. 971010). Die Kartellbehörden hatten die Genehmigung der Fusion von Veba und Viag zum neuen E.ON-Konzern unter anderem von dessen Rückzug aus der Bewag abhängig gemacht. Indessen war allgemein angenommen worden, dass der Bewag-Mitaktionär Southern Energy die freiwerdenden Bewag-Anteile erwerben würde, um dann als Mehrheitsaktionär in einem zweiten Schritt beim ostdeutschen Verbundunternehmen Veag einzusteigen (vgl. 000107). Noch Ende Juli hatte ein E.ON-Sprecher der Berliner Zeitung (29.7.) bestätigt, dass die Bewag-Anteile zunächst exklusiv dem Mitaktionär Southern angeboten werden sollten und ein Bieterwettbewerb nur dann in Betracht komme, wenn Southern keinen angemessenen Kaufpreis biete.

Zusätzlich zu dem E.ON-Paket und einer bereits vorhandenen kleinen Beteiligung wollen die HEW weitere ca. 9,5 Prozent aus Streubesitz erwerben, so dass sie am Ende 60 Prozent der Bewag-Anteile besitzen würden. Die E.ON Energie AG soll als Gegenleistung die HEW-Beteiligungen an der schwedischen Sydkraft (15,7 %) und Hein Gas Hamburger Gaswerke (61,9 %) sowie einen Ausgleich in bar von 485 Millionen Mark erhalten. Sie kann dadurch ihren Kapitalanteil an Sydkraft von 20,7 auf 36,4 Prozent und den Stimmrechtsanteil von 33,1 auf 35,8 Prozent erhöhen, so dass sie nach schwedischem Recht eine Sperrminorität besitzt. An Hein Gas ist E.ON Energie über die Tochter Thüga schon jetzt mit 28,05 Prozent beteiligt.