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FAZ beugt sich den Protesten ihrer Leser

Das Internet-Forum "Reading Room" wurde in "Lesesaal" umbenannt


Was ist nur mit der alten Tante FAZ los? Wird sie bereits tatterig oder gar dement? - Besorgt fragten sich das viele Leser, als die Feuilleton-Redaktion des Blattes einem neuen Internet-Forum zur Literatur, in dem ausschließlich auf deutsch kommuniziert wird, die Bezeichnung "Reading Room" verlieh. Von der "Frankfurter Allgemeinen" hätte man so etwas zuallerletzt erwartet. Hinsichtlich der politischen Richtung der Zeitung mochte man ja immer unterschiedlicher Meinung sein. Aber in punkto Sprachgefühl hätte man ihr noch am ehesten zugetraut, dem Kauderwelsch der Anglizismen zu widerstehen. – So wie sie noch immer die Fahne der alten Rechtschreibung hochhielt, nachdem die "Süddeutsche" und der "Spiegel" bereits kapituliert hatten. Und nun das: Am grünen Holz der FAZ wucherte ein besonders häßlicher denglischer Schimmelpilz namens "Reading Room".

Was war da nur in die Feuilleton-Redaktion gefahren? War das nur mal wieder eine jener Effekthaschereien, mit der Feuilleton-Chef Frank Schirrmacher die Liste seiner Großtaten, die er vor acht Jahren mit dem endlos langweiligen Abdruck des menschlichen DNS-Codes auf mehreren Zeitungssseiten eröffnete, fortzusetzen gedachte? Oder handelte es sich gar um eine Totalkapitulation, nachdem der Widerstand gegen den Krampf der neuen Rechtschreibung dem verlegerischen Kalkül zum Opfer gefallen war?

Ignoramus et ignorabimus! – Wir wissen nur, daß Anfang Mai die FAZ sich plötzlich eines besseren besann. Man darf aber vermuten, daß die Redaktion den Unmut der Leser wegen des "Reading Room" nicht länger ignorieren konnte. Jedenfalls wurde in dem besagten "Reading Room" nun ganz offiziell eine Diskussion darüber eröffnet, ob der Name der Sache angemessen sei. Und siehe da: Die "Contra"-Spalte schäumte über vor Leser-Protesten, während die "Pro"-Spalte in jeder Hinsicht ein magersüchtiges Dasein fristete. An der Spitze des "Pro"-Lagers stand auch nicht Herr Schirrmacher, sondern ein relativ unbekannter FAZ-Feuilletonist namens Ebbinghaus, dem zur Verteidigung des "Reading Room" nichts besseres einfiel, als daß "Feuilleton" schließlich doch auch ein Fremdwort sei...

Die alte Tante FAZ scheint demnach nicht so sehr unter altersbedingter Demenz zu leiden – sie wird im nächsten Jahr erst sechzig – , als unter der Ignoranz ihres journalistischen Nachwuchses. Die Zeitung wirbt seit Jahren mit dem Spruch: "Dahinter steckt immer ein kluger Kopf." Wie wahr: Die Leser des Blattes scheinen tatsächlich ein bißchen klüger zu sein als die Macher selbst. Vermutlich würden ein Dolf Sternberger oder ein Karl Korn im Grabe rotieren, wenn sie die Auslassungen ihres Nachwuchs-Kollegen Ebbinghaus hören könnten.

Der Vorsitzende der VDS-Regionalgruppe 69, Udo Leuschner, beteiligte sich an der Diskussion, ob man dieses Internet-Forum als "Reading Room" bezeichnen dürfe, in seiner Eigenschaft als FAZ-Abonnent mit dem folgenden Beitrag:

 

Am 8. Mai 2008 hat die FAZ schließlich vor den Protesten der Leser kapituliert und den "Reading Room" in "Lesesaal" umbenannt. Im Internet sah das so aus: