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Die in der Deutschen Bucht geplanten Windparks befinden sich alle in der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone, die jenseits der zwölf Meilen breiten Hoheitszone vor der Küste (gestrichelte Linie) beginnt und wegen ihrer Form auch als "Entenschnabel" bezeichnet wird. Bis Herbst 2007 genehmigte das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie (BSH) in der Nordsee die Planungen für 1097 Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von knapp 5000 MW. Außerdem wurden in der Ostsee 530 Anlagen mit knapp 1000 MW genehmigt.

Windparks vor der Küste

Am ergiebigsten ist die Windenergie auf dem Meer. Der Wind weht hier fast doppelt so stark wie im Binnenland. Da die Energieausbeute mit der dritten Potenz der mittleren Windgeschwindigkeit steigt, läßt sich somit fast das Achtfache an Strom ernten. Auch die Nutzungsdauer ist höher. So kann in der Nordsee mit einer mittleren Windgeschwindigkeit von 10 Metern pro Sekunde gerechnet werden, die sich mehr als 8000 Stunden im Jahr nutzen läßt.

Zugleich vervielfachen sich aber auch die technischen Probleme, mit denen Konstrukteure und Betreiber von Windkraftanlagen bereits an Land zu kämpfen haben. Das fängt an mit der Verankerung der Masten am Meeresgrund, die wesentlich mehr Aufwand erfordert. Erhebliche Schwierigkeiten bereiten aber auch die salzhaltige Luft, die schwere Zugänglichkeit der Anlagen für die Wartung oder die Anbindung an das Netz der Stromversorgung.

1992 wurde in Dänemark der ersten "Offshore"-Windpark in Betrieb genommen. Er umfaßte elf Anlagen mit einer Nennleistung von je 450 Kilowatt. Sie standen in einer Wassertiefe von drei bis vier Metern in der Ostsee nahe Vindeby auf Lolland. Ihre Entfernung vom Land betrug maximal drei Kilometer.

In Deutschland vorerst nur Planungen


Mit Hilfe eines Schwimmkrans wurde im August 2006 die erste von zwei Anlagen des Typs Repower 5 M vor der schottischen Küste in 43 Meter tiefem Wasser aufgestellt.

Es folgten weitere solcher Anlagen vor den Küsten Dänemarks, Schwedens, Großbritanniens und der Niederlande. Man wagte sich nun auch in die stürmischere Nordsee und tieferes Wasser vor. Im August 2006 wurde die bis dahin größte Windkraftanlage mit einer Leistung von 5 MW vor der Ostküste Schottlands errichtet. Mit einer Wassertiefe von 43 Metern und rund 20 Kilometer Entfernung vom Land setzte sie ebenfalls neue Maßstäbe.

In Deutschland, das ansonsten weltweit führend in der Windenergie war, gab es vorerst nur Pläne, die allerdings recht ehrgeizig waren. Bis Herbst 2007 befanden sich in deutschen Gewässern mehr als 30 "Offshore"-Windparks mit einer Nennleistung von über 40.000 MW im Planungsstadium. Fast alle Anlagen sollten in der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) errichtet werden sollten, die an die maximal zwölf Seemeilen breiten Hoheitsgewässer anschließt und sich bis zu 200 Seemeilen ins Meer erstreckt. Für die Genehmigung war deshalb in der Regel das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie (BSH) zuständig.

Als ersten Windpark genehmigte das BSH im November 2001 "Borkum West", als zweiten "Butendiek" westlich von Sylt. Bis Herbst 2007 hatte das Amt in der Nordsee den Planungen für 1097 Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von knapp 5000 MW zugestimmt. In der Ostsee wurden 530 Anlagen mit knapp 1000 MW genehmigt und zwei Projekte aus Gründen des Vogelschutzes abgelehnt. Ferner gab es in der Ostsee zwei weitere Windpark-Projekte, die sich innerhalb der Zwölf-Meilen-Zone befanden und deshalb von den zuständigen Landesbehörden genehmigt wurden.

Erhöhte Vergütungen für Offshore-Windstrom

Für den nötigen finanziellen Anreiz sollte das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sorgen. Schon in seiner ersten Fassung enthielt es besondere Konditionen für Windkraftanlagen, die mindestens drei Seemeilen von der Küste entfernt waren. Seit 2004 begünstigte es zusätzlich solche Anlagen, die in wesentlich größerem Abstand und in größeren Wassertiefen errichtet wurden. Damit berücksichtigte das EEG die besonderen Verhältnisse vor der deutschen Nordsee-Küste, wo das Wattenmeer als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist und nicht als Standort von Windkraftanlagen in Frage kommt. Aber auch das schien nun nicht mehr ausreichend zu sein. Ende 2007 legte das Bundesumweltministerium einen Gesetzentwurf vor, der die maximale Vergütung für Offshore-Windstrom von bisher 9,1 auf 14 Cent pro Kilowattstunde anhob. Die Frist zur Inbetriebnahme der Anlagen, um Abschläge an den Vergütungen zu vermeiden, sollte von 2008 auf mindestens Ende 2013 verlängert werden (mit Zuschlägen je nach Wassertiefe und Entfernung von der Küste).

Forschungsplattformen in der Nord- und Ostsee


Die Forschungsplattform FINO 1 mit Hubschrauberlandeplatz (rechts) und 100 Meter hohem Windmeßturm (links).

Der Staat erbrachte außerdem etliche andere Vorleistungen, um die Offshore-Projekte vor der deutschen Küste in Gang zu bringen. So finanzierte er die Errichtung von Forschungsplattformen in der Nord- und Ostsee. Zuerst wurde 2003 etwa 45 Kilometer nördlich der Insel Borkum die Forschungsplattform FINO 1 errichtet. Sie untersucht die Windverhältnisse in der Nordsee, den Seegang, das Zusammenspiel von Wind und Wellen, die Materialbeständigkeit in salzhaltiger Luft und andere Fragen, die für die Hersteller, Planer und Betreiber von Windkraftanlagen von Bedeutung sind. Die Plattform ist für Wartungsarbeiten per Hubschrauber oder Schiff erreichbar. Im übrigen arbeitet sie aber vollautomatisch und übermittelt die gesammelten Daten per Funk an Land. Im Jahr 2007 nahm auch in der Ostsee eine solche Forschungsplattform den Betrieb auf: FINO 2 befindet sich etwa 40 Kilometer nordwestlich der Insel Rügen und grenzt an den geplanten Windpark "Kriegers Flak". Eine weitere Anlage dieser Art, FINO 3, sollte in der Nähe der Insel Sylt errichtet werden, um speziell die Verhältnisse bei größeren Wassertiefen und größerem Abstand von der Küste zu erforschen.

Betreiber von den Kosten der Netzanbindung befreit

Ende 2006 befreite der Gesetzgeber die Betreiber der Offshore-Anlagen von den finanziellen Lasten der Netzanbindung. Durch eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes waren fortan die Netzbetreiber verpflichtet, diese Anschlüsse herzustellen. Die Kosten durften sie allerdings umlegen und über die Netzentgelte in die Strompreise eingehen lassen.

Um welche Summen es hier ging, zeigte sich ein Jahr später: Der Netzbetreiber E.ON erteilte für mehr als 300 Millionen Euro den Auftrag, das Windpark-Projekt "Delta" an sein Hochspannungsnetz anzuschließen. Dieses Projekt war zunächst von einer anderen Firma betrieben und Anfang 2005 genehmigt worden. Die Übernahme durch E.ON erfolgte nach der Gesetzesänderung, welche die Anschlußkosten solcher Windparks auf die Strompreise abwälzte. Der Konzern konnte so gleich zweifach an der künftigen Windstromerzeugung verdienen, nämlich als Stromerzeuger und als Netzbetreiber.

Staat unterstützt Testfeld der Stromkonzerne

Im Jahr 2005 leistete die Bundesregierung weitere Hilfestellung, indem sie zusammen mit den Herstellern und Betreibern von Windkraftanlagen die "Deutsche Offshore-Stiftung" gründete. Diese Stiftung übernahm alle Rechte am Standort "Borkum West", der im November 2001 als erstes Projekt vor der deutschen Küste genehmigt worden war. Unter dem neuen Namen "alpha ventus" verpachtete die Stiftung den Standort an ein Konsortium aus den drei Stromunternehmen E.ON, EWE und Vattenfall. Dieses Konsortium bestellte insgesamt zwölf Windkraftanlagen der 5-MW-Klasse, um sie ab 2008 an diesem Standort mit einer Wassertiefe von rund dreißig Metern zu testen. Die Netzanbindung über ein 65 Kilometer langes 110-kV-Kabel fiel wiederum in die Zuständigkeit von E.ON.

Multibrid 5000 und Repower 5 M im Vergleich

Die zwölf Anlagen des Testfelds "alpha ventus" wurden jeweils zur Hälfte bei Multibrid und Repower bestellt. Von den in Deutschland ansässigen Herstellern boten lediglich diese beiden Unternehmen eine Technik an, die auch den besonderen Belastungen auf hoher See gewachsen sein sollte. Zwei Exemplare des Repower-Typs drehten sich bereits seit August 2006 vor der schottischen Küste. Ihre Masten gründeten auf einer 900 Tonnen schweren Stahlgitterkonstruktion. Multibrid testete seine Anlage vorläufig noch an Land. Hier sollte die Verankerung auf dem Meeresboden mit einem speziell konstruierten "Tripod"-Fuß erfolgen.

Beide Offshore-Anlagen haben dreiflügelige Rotoren und dieselbe Nennleistung von 5 MW. In der technischen Ausführung unterscheiden sie sich aber in vieler Hinsicht:

 
  Multibrid 5000 REpower 5 M
Nennleistung 5 MW 5 MW
Rotordurchmesser 116 m 126 m
Überstrichene Rotorfläche 10.568 qm 12.469 qm
Nabenhöhe 102 m 90 - 120 m
Rotordrehzahl 5,9 - 14,8 U7min 6,9 - 12,1 U/min
Abschalt-Windgeschwindigkeit 25 - 33 m/sec 25 - 30 m/sec
Leistungsregelung Pitch Pitch
Rotormaterial GFK/CFK GFK/CFK
Getriebe Stufenplanetengetriebe Planeten-Stirnradgetriebe
Generator Synchron Asynchron
Turmkopfmasse (mit Rotor) 301,8 t ca. 350 t

 


Die 5-MW-Anlagen von Multibrid werden auf dreibeinigen Stahlstrukturen ("Tripod") mit Pfählen im Meeresgrund verankert.

Wie bei großen Anlagen üblich, sind bei beiden Typen die Generatoren nicht direkt mit dem Netz gekoppelt, sondern speisen über Gleichstromzwischenkreise und Frequenzumrichter ein. Die Drehzahl der Rotoren ist deshalb innerhalb eines weiten Bereichs variabel. Besonders groß ist dieser Bereich bei der Multibrid 5000, die die mechanische Kraft des Rotors über einen permanenterregten Synchrongenerator in elektrische Energie umsetzt. Die Repower 5 M verwendet dagegen einen doppeltgespeisten Asynchrongenerator, wie ihn bereits der "Growian" aufwies. Hier ist der Drehzahlbereich enger, da bei Asynchrongeneratoren auch der "Schlupf" für die Leistung eine Rolle spielt.

Daß im Offshore-Bereich inzwischen bei der Nutzung der Windenergie in jeder Hinsicht ein großes Rad gedreht wurde, zeigte auch der Bieterwettbewerb um den Anlagenhersteller Repower, der Anfang 2007 zwischen dem französischen Energiekonzern Areva und dem indischen Windturbinenhersteller Suzlon entbrannte. Am Ende verzichtete Areva auf die geplante Übernahme, blieb aber Großaktionär und ließ sich von Suzlon die Rolle eines bevorzugten Lieferanten garantieren. Vier Monate später sicherte sich Areva die Mehrheit am Offshore-Spezialisten Multibrid.