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Schnell- und Langsamläufer: Ein Einblatt-Rotor (mit Gegengewicht) und ein mit 18 Blättern bestückter Rotor.




Schnellere Rotoren durch weniger Flügel

Es leuchtet dem Laien nicht ohne weiteres ein, weshalb ein Windrad mit weniger Flügeln schneller laufen soll. Überzeugender scheint die Überlegung, daß ein Windrad die Energie des Windes um so besser nutzt, je mehr Flügel es hat, und daß es demzufolge auch schneller läuft.

Physikalisch verhält es sich freilich anders. Der erste Denkfehler besteht in der Annahme, daß der Wind ausschließlich in mechanischer Weise auf die schrägen Rotorblätter einwirke, sie gleichsam beiseitedrücke und so in Bewegung setze. Der zweite, daraus resultierende Denkfehler liegt in der Vorstellung, daß ein Windrad mit wenig Flügeln gleichsam Löcher habe, durch die der Wind ungenutzt hindurchblase.

Auftriebs- und Widerstandsprinzip

Einigermaßen zutreffend ist diese Vorstellung jedoch nur für vertikale Windräder der klassischen Bauweise, die auch in modernen Versionen wie beim Savonius-Rotor (nicht aber beim Darrieus-Rotor) hauptsächlich den Winddruck bzw. den aerodynamischen Widerstand ihrer Schaufeln nutzen. Bei den horizontal gelagerten Rotoren, deren Welle in Windrichtung steht, wird dagegen in erster Linie der Auftrieb genutzt, der an den vom Wind umströmten Blättern entsteht. Das heißt, daß die mechanische Kraft des Windes nicht der entscheidende Faktor ist. Weitaus wichtiger ist das am Flügel entstehende Strömungsfeld, das - wie bei einem Flugzeug - einen Auftrieb erzeugt und so die Drehbewegung bewirkt.

Voraussetzung ist allerdings, daß die aerodynamische Form der Flügel der jeweiligen Drehzahl angepaßt ist. Es genügt also nicht, aus dem Windrad einer amerikanischen Wasserpumpe einfach 28 von 30 Flügelblättern zu entfernen, um es in einen Schnelläufer zu verwandeln.

Höheres Drehmoment oder höhere Drehzahl?

Die Windenergie, die auf die von den Blättern eines Rotors bestrichene Fläche einwirkt, stellt den Konstrukteur grundsätzlich vor die Frage, ob es ihm in erster Linie auf ein hohes Drehmoment „ also die an der Rotorwelle wirkende Kraft „ oder auf eine hohe Drehzahl ankommt. Soll mit der Windenergie z.B. eine Wasserpumpe angetrieben werden, ist klar, daß ein hohes Drehmoment erwünscht ist, denn solche Pumpen sind nicht gerade leichtgängig. Hohe Drehzahlen würden hier sogar eher stören, da man sie erst durch ein Getriebe reduzieren müßte, um sie der langsamen Mechanik der Pumpe anzupassen. Genau umgekehrt ist es aber bei der Erzeugung elektrischen Stroms: Hier sollen die Windräder möglichst hohe Drehzahlen erreichen, um den baubedingt hohen Drehzahlen der Generatoren entgegenkommen zu können.

Die Reduzierung der Blattzahl klappt bis herunter auf drei einigermaßen problemlos. Das heißt, daß die Flügel dann noch starr mit der Rotorwelle verbunden werden können. Bei nur zwei Blättern treten dann aber Probleme auf. Konstruktionsbedingt ändert sich dann nämlich das Trägheitsmoment des Rotors bei jedem Umlauf, was zu unerwünschten Unwuchten und Schwingungen führt. Die Flügel werden deshalb nicht starr, sondern beweglich mit der Rotorwelle verbunden. In der Regel werden die Blätter über eine Pendelnabe an der Rotorachse befestigt. Noch schwieriger ist die Konstruktion einblättriger Rotoren, bei denen das fehlende zweite Blatt durch ein entsprechendes Gegengewicht ausgeglichen werden muß.

Blattspitzengeschwindigkeit bestimmt die Schnelläufigkeit

Aus dem bisherigen ergibt sich, daß die "Schnelläufigkeit" eines Windrads mit der Verringerung der Blattzahl zunimmt. Das heißt aber noch nicht, daß die Schnelläufigkeit an der Drehzahl gemessen werden könnte, unabhängig von sonstigen Faktoren. Dabei würde nämlich der unterschiedliche Durchmesser der Windräder nicht berücksichtigt. Ein großes Windrad dreht sich nun mal langsamer als ein kleines, das dieselbe Blattzahl hat. Entsprechend besagt die Drehzahl der Rotorwelle nichts über die Größe des Windrads und die von ihm aufgenommene Windenergie, die über das Drehmoment der Rotorwelle in mechanische bzw. elektrische Leistung umgesetzt wird. Die "Schnelläufigkeit" ist schließlich kein Selbstzweck, wie beim hurtig sich drehenden Windrädchen von Kindern. Physikalisch ergibt sie erst dann einen Sinn, wenn sie auf die Größe des Windrads bezogen wird. Ein sinnvolles Maß für Schnelläufigkeit liefert deshalb nicht die Umdrehungszahl des Rotors, sondern die Geschwindigkeit, mit der sich die Blattspitzen am äußersten Rand der von den Rotorflügeln bestrichenen Fläche um die Achse herum bewegen.

Der gemächliche Riese ist schneller als der rasende Zwerg

Zum Beispiel drehte sich der zweiflügelige Riesen-Rotor der Windanlage "Growian" nur 18mal in der Minute, erreichte dabei aber an den Spitzen seiner 50 m langen Flügelblätter eine Geschwindigkeit bis zu 94,2 m/sec (das sind 340 km/h). Der kleine fünfflügelige Rotor des "Südwind 300" dreht sich dagegen 270mal in der Minute, also 15mal schneller, erreicht aber an den 1,70 m langen Flügelblättern dennoch nur eine Spitzengeschwindigkeit von 48,1 m/sec. Da sich die Schnelläufigkeit einer Windkraftanlage nach der Blattspitzengeschwindigkeit bemißt, ist also der gemächlich drehende Riese ein besserer Schnelläufer als der rasende Zwerg.

Die Schnellaufzahl

Wird die Blattspitzengeschwindigkeit dann noch ins Verhältnis zur jeweiligen "Nennwindgeschwindigkeit" gesetzt, für welche die Konstruktion ausgelegt ist, erhält man die sogenannte Schnellaufzahl des Rotors. Zum Beispiel hat der einflügelige "Monopteros 15" eine Blattspitzengeschwindigkeit von 90,3 m/sec bei einer Nennwindgeschwindigkeit von 9,7 m/sec, wodurch sich eine Schnellaufzahl von 9,2 ergibt. Ist die Schnellaufzahl nicht größer als 2, spricht man von "Langsamläufern", liegt sie über 4, von "Schnelläufern". Dazwischen liegen die "mittleren Schnelläufer". Die amerikanische Windturbine erreicht als extremer Langsamläufer nur eine Schnellaufzahl von etwa 1.

"stall"-Steuerung und Blattverstellung


Bei dieser 2-MW-Anlage sind die Blätter am Rotorkopf beweglich angebracht ("pitch"-Regelung)

Die Rotorblätter einer Windenergieanlage müssen nach Form und Stellung der Stärke des Windes angepaßt sein, um einen optimalen Auftrieb zu erzeugen, der den Rotor in Drehung versetzt. Unter- und oberhalb der Windstärke, für die sie ausgelegt sind, ergibt sich notwendigerweise ein schlechteres aerodynamisches Verhalten bis hin zum Strömungsabriß (engl. stall) am Blatt, was ein schlechtes Anlaufverhalten bzw. eine Begrenzung der Leistungsaufnahme zur Folge hat. Im praktischen Betrieb ist die Begrenzung der Leistungsaufnahme allerdings erwünscht, um den Generator und sonstige Teile der Anlage vor einer unzulässigen Belastung zu schützen. Man spricht deshalb von "stall-gesteuerten" Anlagen, wenn die Blätter des Rotors starr für eine bestimmte vorherrschende Windstärke ausgelegt sind. Bei höherer Windstärke sinkt dann die Leistung infolge des Strömungsabrisses am Blatt automatisch. Allerdings können sehr hohe Windgeschwindigkeiten eine erneute Leistungszunahme bewirken, für welche die Generatoren nicht ausgelegt sind. Stall-gesteuerte Anlagen müssen deshalb bei Überschreiten einer bestimmten Windstärke abgeschaltet werden und bedürfen zuverlässiger mechanischer Bremsen .

Während sich die stall-Regelung auf kleinere und mittlere Anlagen beschränkt, werden große Windenergieanlagen durchweg mit verstellbaren Rotor-Blättern ausgeführt ("pitch"-Regelung). Dabei wird die Leistungsaufnahme des Rotors durch Veränderung des Anstellwinkels der Blätter gegenüber dem anströmenden Wind geregelt. Auf diese Weise lassen sich die Blätter in eine günstige Anlaufposition bringen. Ebenso läßt sich nach Erreichen der "Nennwindgeschwindigkeit" der Anlage die Drehzahl des Rotors bzw. die Leistungsaufnahme des Generators begrenzen. Die Blatt-Verstellung findet sich bei Windenergieanlagen aller Leistungsklassen. Mitunter wird sie auch mit der stall-Steuerung kombiniert, indem nur die Blattspitzen verstellbar ausgeführt sind.

Propeller-Rotoren müssen dem Wind nachgeführt werden

Alle Rotoren mit horizontaler Achse müssen den wechselnden Windrichtungen nachgeführt werden. Eine Ausnahme machen nur Rotoren, die vom Mast aus gesehen im Windschatten liegen. Da solche Lee-Läufer hinter dem Drehpunkt der Rotorgondel vom Wind angeblasen werden, können sie der wechselnden Windrichtung von selbst folgen. In der Regel stellt man die Rotoren jedoch ins Luv, um die Abschwächung der nutzbaren Windenergie durch den Mast der Anlage zu vermeiden.

Bei kleinen Luv-Läufern läßt sich eine Nachführung durch Anbringung einer Windfahne bewerkstelligen, die im Lee der wechselnden Windrichtung folgt und so selbsttätig die Ausrichtung besorgt. Bei etwas größeren Anlagen kommt mitunter das Seitenrad der Holländermühle wieder zu Ehren, das den Hauptrotor über ein Getriebe automatisch in Windrichtung hält. Man spricht in beiden Fällen von passiver Nachführung. Am verbreitetsten und bei großen Anlagen absolut vorherrschend ist jedoch die aktive Nachführung des Rotors über einen elektrischen oder hydraulischen Antrieb, der die Meßdaten eines Windrichtungsgebers in entsprechende Steuerbewegungen umsetzt.